In einer Zeit, in der uns die politische und Businesselite zu überzeugen versuchen, dass sich unsere freie Wahl einzig darauf bezieht, was wir kaufen, für wen wir arbeiten und für wen wir stimmen können, stellt das neueröffnete Soziale Zentrum „Autonomie-Fabrik“ eine Alternative für jene dar, die nach andersartigen Praktiken und Modellen der Wirtschaftsentwicklung suchen. „Wir sind nicht damit einverstanden, dass die Freiheit einzig die großen Unternehmen genießen können, während die Grenzen für die Durchschnittsbürger sind. Die Politik ist nicht ein Privileg der Machthaber, sondern ein Engagement für uns alle“, ist auf der Internetseite der „Autonomie-Fabrik“ zu lesen.
Über die Ziele und die Initiativen des Sozialen Zentrums unterhielten wir uns mit Valentina Georgiewa, Freiwillige und Kulturwissenschaftlerin an der Sofioter Universität „Heiliger Kliment von Ohrid“. Warum „Fabrik“ und warum „Autonomie“?
„Die Fabrik stammt aus einem Nachlass. Das Zentrum haben wir in einer alten Textilfabrik aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts eingerichtet, die sich in unmittelbarer Nähe zur Löwenbrücke in Sofia befindet“, erzählt Valentina Georgiewa. „Uns geht es um „Autonomie“, weil damit zwei grundlegende Prinzipien angesprochen werden – es handelt sich um einen selbstorganisatorischen Raum, der von einem Team aus 10 bis 15 Personen belebt und organisiert wird. Ich sage mit Absicht nicht „geleitet“, denn das ist ein Wort, das wir nicht mögen. Das ist die horizontale Funktionsweise. Autonomie, weil sich das Team selbst die Gesetze schafft und von einer Finanzierung von außen unabhängig ist. Wir stehen in keiner Beziehung zu Nichtregierungsorganisationen, politischen Parteien, oder der Gemeinde. Wir versuchen, ein eigenes Model der Selbstfinanzierung auszudrücken. Im Endeffekt kommt das Team zu Monatsende zusammen und jeder legt etwas auf dem Tisch und so bezahlen wir die Miete.“
Die „Autonome Kooperative“ ist eine der Formen der „geteilten“ Wirtschaft, die die Fabrik entwickeln möchte. Es ist eine Gemeinschaft des Austauschs von Waren und Dienstleistungen, der ohne die Vermittler innerhalb der Marktbeziehungen direkt zwischen Hersteller bzw. Anbieter und Verbraucher realisiert wird.
„Ziel unseres Programms ist zu zeigen, dass es jenseits der vom Markt organisierten, durch Geld und Tauschwert regulierten auch andere Formen des Austausches gibt“, erzählt weiter Valentina Georgiewa. „Wir können uns gegenseitig unentgeltlich das geben, was wir benötigen. Wir haben einen Lehrgang in Bulgarisch für Flüchtlinge und Ausländer sowie einen Lehrgang für freie Software und schließlich auch in Französisch und Spanisch veranstaltet. Bald werden wir auch Englisch-Kurse anbieten. Das ist ein Wissen, dass geteilt werden kann. All die Arbeit wird freiwillig von Leuten geleistet, denen wir unsere Räumlichkeiten zur Verfügung stellen.“
Jede Woche werden im Zentrum Filmvorführungen veranstaltet. Es sind Spiel- und Dokumentarfilme zu sozialer Thematik, denen stets eine Diskussion folgt. Der Eintritt ist frei. Die Filme selbst stellen verschiedene Formen von Aktivismus und soziale Bewegungen in Bulgarien und der Welt vor.
Auf welche Bedürfnisse spricht das Zentrum an?
„Auf das Fehlen von Raum“, antwortet spontan Valentina Georgiewa. „Es ist kein Netz, keine Organisation, sondern ein Ort, ein physischer Ort, an dem sich Aktivisten, Gruppen und Bewegungen treffen können, die über die gleichen Dinge auf verschiedene Weise reden. Es ist oft so, dass die einzelnen Bewegungen isoliert dastehen und daher schwach sind. Wenn die einzelnen Gruppen untereinander Kontakt haben, dieselben Werte teilen und darüber diskutieren, erst dann kann eine starke und solidarische soziale Bewegung aufgebaut werden. Wir arbeiten bereits mit der Bewegung für den Schutz der Rechte der Tiere, der Autonomen Arbeitergewerkschaft, dem Online-Team „dVersia“ (Plattform für unabhängige linke Publizistik), einem LGBT-Team und anderen zusammen.“
Meinen sie, dass Sie in der Öffentlichkeit bemerkt werden?
„Auf sich aufmerksam zu machen, ist kein großes Problem; schwieriger ist es, nachhaltig zu wirken“, antwortet Valentina Georgiewa vom Sozialen Zentrum „Autonomie-Fabrik“. „Während der Proteste 2013 wurde eine gewisse Aktivierung bemerkt und es kam zu konkreten Anlässen zu Ausbrüchen, doch keine einzige der teilnehmenden Gruppen hatte Bestand. Unserer Ansicht nach liegt es vor allem daran, dass es an Räumlichkeiten für Treffen und an gemeinsamen Tätigkeiten gemangelt hat, die sich vereinend auswirken. Wenn eine gemeinsame Tätigkeit und ein geteiltes Risiko vorhanden sind, wenn gemeinsam Aufgaben angegangen werden und der Weg vereint beschritten wird, dann zeitigen sich auch Erfolge.“
Zu den Tätigkeiten des Zentrums gehört die Kopplung zwischen Theorie und Praxis. Wöchentlich läuft ein „Kritischer Wirtschaftskurs“ – eine Vortragsreihe über die Traditionen und Modelle im Wirtschaftsdenken sowie die Alternativen zum dominanten neoliberalen Modell.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: fabrika-avtonomia.org
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