Das Nationale Geschichtsmuseum in Sofia und seine Filialen wurden im vergangenen Jahr vom mehr als einer Viertel Million Menschen besucht, informierte das Kulturministerium. Touristenmagnet Nr. 1 ist natürlich die Kirche von Bojana bei Sofia, die für ihre Wandmalereien in der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes steht. Aber auch andere historische Stätten wurden von einheimischen und ausländischen Touristen besucht. Der Direktor des Nationalen Geschichtsmuseums, Prof. Boschidar Dimitrow, versicherte, dass bald auch andere Sehenswürdigkeiten für Touristen erschlossen werden:
„Zu Beginn vergangenen Jahres erhielt das Nationale Geschichtsmuseum von der Leitung des Landes zwei wichtige Aufgaben: die Rekonstruktion der bulgarischen Herrscherkronen und der Großen Basilika in der alten Reichshauptstadt Pliska“, erzählte uns der Museumsdirektor. „Die Basilika von Pliska wurde in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts errichtet und war das größte Kirchengebäude Europas bis zum 14. Jahrhundert, als Bulgarien von den Türken eingenommen und das Gebäude selbst zerstört wurde. Die Anlage ist 102 Meter lang und rund 30 Meter breit und bestand aus großen Steinquadern, die jeweils bis zu einer halben Tonne wogen. Das Gebäude flößte Respekt vor dem Bulgarischen Reich ein und zeugte von seiner Macht. Erst im 19. Jahrhundert wurde das Gebäude bis auf die Grundmauern abgetragen, als auf Anordnung des Großwesirs des Osmanischen Reiches Midhat Pascha die Eisenbahnstrecke zwischen Russe und Warna gebaut wurde. Bevor mit der Rekonstruktion des Bauwerks begonnen werden konnte, mussten die archäologischen Untersuchungen abgeschlossen werden. Das geschah am 1. November vergangenen Jahres. Bei Wiederaufbauarbeiten dieser Art ist es üblich, Originalmaterial zu verwenden. Vor Ort konnten viele Steine geborgen werden, die aber lediglich etwa 10 Prozent des ganzen Bauwerks ausmachen. Der Rest sollte aus den gleichen Steinbrüchen kommen, die einst Zar Boris I. für seinen Kirchenbau benutzt hat.“
Doch es kam zu einer Überraschung. In einer seiner Fernsehsendungen hatte Prof. Boschidar Dimitrow die Geschichte der Großen Basilika vorgestellt und dabei erwähnt, dass die Steine leider zu Schotter für den Bahndamm der Strecke Russe-Warna verarbeitet worden sind.
„Bereits in der nächsten Sendung meldeten sich zwei geschichtsinteressierte Bürger“, erzählt weiter der Historiker. „Der eine von ihnen hat sogar ein Buch über das Bahnwesen in Bulgarien verfasst. Sie teilten mir mit, dass Midhat Pascha nicht so dumm gewesen ist und die gut zugearbeiteten Steine zu Schotter zerschlagen ließ. Sie wären für den Bau der Bahnhöfe und Bahnanlagen, wie Wasserspeicher und Kohlelager wiederverwendet worden. Man schickte mir eine Liste mit den entsprechenden Anlagen zu, die bis heute erhalten sind, obwohl sie bereits seit Jahrzehnten nicht mehr verwendet werden. Als die Bahn von Dampflokomotiven zu Elektro- und Diesellokomotiven übergegangen war, wurden diese Anlagen entlang der Strecke nicht mehr gebraucht und verfielen. Als ich sie mir daraufhin vor Ort betrachtete, konnte ich meine Freude kaum verbergen – das waren die Steine aus Pliska. Laut dem Architekten, der die Rekonstruktion leitet, sind es Tausende Kubikmeter Steinmasse, so dass die Basilika nun sogar zu 70 Prozent mit den alten Steinen wiederaufgebaut werden kann.“
Die Regierung machte im vergangenen Jahr rund eine viertel Million Euro locker, mit denen die Rekonstruktion der Großen Basilika eingeleitet werden konnte. In diesem Jahr soll die Summe noch größer ausfallen. Das Geld wird dennoch nicht ausreichen, so dass Museumsdirektor Dimitrow auch eine breitangelegte Spendenaktion eingeleitet hat. Hunderte Bulgaren aus dem In- und Ausland haben bereits einen Beitrag geleistet. Es spenden aber auch Ausländer, die in Bulgarien leben. Es sei nicht wichtig, große Summen zu geben, sondern dass sich möglichst viele Menschen an der Spendenaktion beteiligen. Ihre bescheidenen Beiträge würden schließlich auch eine große Summe ergeben. Prof. Boschidar Dimitrow teilte uns mit, dass er auch eine Spende von einer Schule in der südbulgarischen Stadt Stara Sagora erhalten habe – die Schulkinder hätten für einen Tag auf den ihnen zustehenden Zuschuss für die Pausenversorgung verzichtet und das Geld überwiesen. Aus Dankbarkeit habe ihnen der Museumsdirektor einen Geschichtsvortrag gehalten, ihnen aber auch ans Herz gelegt, nicht am Essen zu sparen, um ordentlich heranwachsen zu können.
Was die Rekonstruktion der bulgarischen Herrscherkronen anbelangt, konnte ebenfalls mit Spenden eine Nachbildung der Krone angefertigt werden, die der bulgarische Herrscher Kalojan an der Wende zum 13. Jahrhundert von Papst Innozenz III. erhalten hat. Diese Krone trugen die bulgarischen Herrscher bis zum Fall des Reiches Ende des 14. Jahrhunderts, als Bulgarien von den Türken eingenommen wurde.
Das Nationale Geschichtsmuseum in Sofia ist aber auch über ein weiteres Exponat glücklich, dass es jüngst erhalten hat: eine Herrscherkrone aus thrakischer Zeit...
Übersetzung: Wladimir Wladimirow
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