Im Jahr 2050 wird die Zahl der Bulgaren auf 5 Millionen schrumpfen, d.h. wir werden um 2 Millionen weniger sein als jetzt. Eine Studie der Vereinten Nationen über die Bevölkerungsentwicklung zeigt, dass die Bevölkerungszahl in Bulgarien am drastischsten abnimmt. Es ist unklar, wie die Aufteilung der drei größten ethnischen Gruppen - Bulgaren, Türken und Roma – in 35 Jahren wohl aussehen wird.
Einer der Hauptgründe für den drastischen Bevölkerungsschwund sind die niedrigen Geburtenziffern. Es wäre eine Bombe mit Zeitzünder, die Geburtenrate anheben zu wollen, ohne an die Bildung und den Lebensstandard dieser Kinder zu denken, denn dann hätten wir noch mehr nicht vollwertig entwickelte, konkurrenzunfähige Menschen mit einer angeschlagenen Gesundheit. Ergo sollte sich der Staat einmischen.
Die Familien sollten Unterstützung erhalten, aber ich spreche dabei nicht nur von Sozialhilfen für die schwächsten Gruppen, meint Eliza Dimitrowa vom Institut für Demographieforschung bei der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften. Der Staat sollte auch an die mittelständischen Familien denken, die nicht mit denen in den westlichen Gesellschaften vergleichbar sind. Die Menschen haben ernsthafte Probleme, ihre Kinder großzuziehen und ihre Bildung zu finanzieren. Deshalb würde eine Politik, die auf die Förderung von Familien mit zwei arbeitstätigen Eltern ausgerichtet ist, gute Ergebnisse zeigen, ist Eliza Dimitrowa überzeugt.
Jeder kann frei wählen kann, wie viele Kinder er haben möchte und somit hängt die Geburtenrate von den einzelnen Menschen ab. Anders ist es aber um die Sterblichkeitsrate bestellt, die in Bulgarien die EU-weit größte ist. Die Sterblichkeit resultiert aus der Qualität der medizinischen Betreuung, meint Eliza Dimitrowa. Ein hochwertigeres Gesundheitswesen würde sich positiv auf die demographische Lage in Bulgarien auswirken. Das, was unsere Nation aber am meisten ausblutet, ist die Emigration. Seit der Wende sind mehr als 1,8 Millionen Bulgaren ausgewandert, belegt eine Studie der Nationalen Statistik:
Das größte Problem Bulgariens ist die Auswanderung junger Leute. Sie verlassen unser Land wegen der niedrigen Gehälter, der Unmöglichkeit, ihre Zukunft zu planen und weil sie mit der Lage im Land als Ganzes unzufrieden sind. Die Jugendarbeitslosigkeit in Bulgarien ist eine der höchsten in Europa. Die jungen Leute leben lange bei ihren Eltern, weil sie außerstande sind, ein eigenständiges Leben zu starten. Deshalb sollte man diese Gruppen unterstützen und ihnen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt sichern – nur so kann die Migration von Bulgaren im aktiven Alter gehemmt werden.
Ob es wohl eine gute Lösung wäre, unsere Grenzen für Flüchtlinge und im Ausland lebende ethnische Bulgaren zu öffnen und so unsere Bevölkerungszahl aufzustocken?
Eines der Instrumente, derer sich die westlichen Länder zur Lösung ihrer demographischen Probleme bedienen, ist die Migration, erläutert Eliza Dimitrowa. Die Einwanderung von Menschen im arbeitsfähigen Alter sorgt für eine gewisse Belebung der Wirtschaften dieser Länder. Allerdings ist Migration keine elementare Lösung. Auf Grund der kulturellen Unterschiede und des neuen wirtschaftlichen Umfelds kann man von den Migranten nicht erwarten, dass sie sich sofort integrieren und beginnen, für das Wohl ihrer Wahlheimat zu arbeiten. Bulgarien sollte seine Migrationspolitik aber überdenken, denn das ist eine wichtige Ressource, die den Bevölkerungsschwund etwas ausgleichen könnte.
Unser Land könnte zudem die Einwanderung ethnischer Bulgaren fördern, da sich diese Menschen dank ihrer bulgarischen Identität und Zugehörigkeit leichter integrieren würden als die Flüchtlinge. Wenn Medien den Bevölkerungsschwund in unserem Land mit katastrophalen Zahlen untermauern, lassen sich viele Journalisten zum dramatischen Ausruf hinreißen: „Bulgarien verschwindet!“ Natürlich wäre es unrealistisch zu erwarten, dass die Bulgarinnen plötzlich beginnen, mehrere Kinder auf die Welt zu bringen, damit sich die Bevölkerung drastisch verjüngt. Zwar leben in Bulgarien weniger Menschen, doch wäre es übertrieben zu behaupten, Bulgarien würde verschwinden, beschwichtigt Eliza Dimitrowa und zeigt sich zuversichtlich, dass man den ungünstigen Prognosen mit angemessenen Maßnahmen entgegenwirken kann.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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