Recht bald schon sollen die heimischen Milch- und Fleischproduzenten ihre Erzeugnisse auf den neuen Bauernmärkten in Bulgarien feilbieten können. Bisher konnten dort nur Obst, Gemüse und Honig verkauft werden. Ein Hindernis waren die speziellen Anforderungen für die Lagerung von tierischen Produkten. Dafür werden Kühlvitrinen benötigt, die von der Farm zum Markt gefahren werden können. Ein kleiner Tierhalter kann sich so eine fahrbare Kühlvitrine aber nicht leisten. Nun sollen acht im Rahmen des Projekts „Für den Balkan und die Menschen“ gelieferte mobile Kühlvitrinen die Dinge ins Rollen bringen. Dieses Projekt wird von der Biolandwirtschaftsstiftung „Bioselena“ unter Finanzierung der Schweiz realisiert.
Warum werden die Bauernmärkte in Bulgarien erst jetzt ins Leben gerufen und wieso werden sie erst jetzt für die Tierzüchter erschlossen, könnte sich manch ein Ausländer fragen. Die Antwort ist simpel: Weil zu kommunistischen Zeiten jegliche private Initiative im Keime erstickt wurde. Die Landwirtschaft wurde extensiv, in großen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften entwickelt. Ein halbes Jahrhundert lang war die private Obst-, Gemüse- und Tierproduktion nur für den Eigenbedarf erlaubt. Nach der Wende wiederum mussten die bulgarischen Farmer zuerst den hohen EU-Kriterien in der Branche genügen und die bulgarischen Behörden haben die Sache zusätzlich erschwert. Nun sieht man sich nach pragmatischen Lösungen um und will sich die Erfahrungen anderer südeuropäischer Länder wie Italien und Frankreich zunutze machen. Ein Schritt in diese Richtung sind die fahrbaren Kühlvitrinen, die an ein Auto angehängt werden können.„Das ist eine Lösung, die die Farmer motivieren kann. Wir wollen, dass die heimischen Produzenten von Joghurt, Käse und Wurstwaren autonom sind und ihre frischen Waren sofort in die mobile Kühlvitrine packen, zum Bauernmarkt fahren und ihre Produkte sofort an den Kunden bringen können“, sagte der Geschäftsführer der Biolandwirtschaftsstiftung „Bioselena“ Stoilko Apostolow.
Fahrbare Kühlvitrinen wird es zuerst auf den Bauernmärkten in Sofia und Plowdiw geben, wo die Nachfrage nach Biowaren am größten ist. Das Angebot von Bioprodukten tierischen Ursprungs ist immer noch recht bescheiden, verkauft werden vor allem Milcherzeugnisse und Honig. Bioeier, Biogeflügel, Biolamm- und Rindfleisch sind immer noch nicht im Angebot. Und wenn man sie doch irgendwo auftreiben sollte, dann zu für Bulgaren horrenden Preisen – 13 Euro für Geflügelfleisch und 28 Euro für Rindfleisch.
„Es gibt eine Nachfrage nach Biofleisch, doch bieten nur eine Handvoll Farmer beispielsweise Hühner aus freier Tierhaltung an. Solches Geflügel wird in Sofia angeboten und die Wartelisten für die nächsten zwei Jahre sind bereits voll. Der Preis vom Biohuhn liegt bei über 7 Euro pro Kilogramm – das ist um ein Fünffaches teurer als bei einem Kaufhaus-Broiler. Einen Markt gibt es also. Bei einem wachsenden Angebot werden die Preise fallen und so werden sich mehr Kunden Biofleisch leisten können. Derart kann dieser Markt angekurbelt werden“, ist Stoilko Apostolow überzeugt.
Die Viehzucht in Bulgarien befindet sich aber immer noch in einer Sackgasse. Subventionen waren dafür bislang nicht vorgesehen. Aus diesem Grund befassen sich von insgesamt ca. 3.000 Biofarmen in Bulgarien lediglich 18 mit Viehzucht. Ein weiterer Grund für diesen Missstand ist, dass Verarbeitungsfirmen kein Interesse an Bioprodukten haben. Und so schließt sich der Teufelskreis – die Verarbeiter enthalten sich, weil es Biofleisch nur in geringen Mengen gibt und die Zahl der Bio-Viehzüchter ist verschwindend gering, weil keiner ihr Fleisch verarbeiten will. In diesem Jahr rechnet man aber damit, dass die Produzenten von Biofleisch Subventionen erhalten werden. Die neuen Fördergelder sollen sie animieren, das Biofleisch selbst zu verarbeiten, so dass der Knoten endlich platzen könnte.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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