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Das neue Jahr kommt – über die Grenzen, die Dankbarkeit und die Hoffnungen

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Voller Hoffnungen und Wünsche stehen wir erneut am Vorabend eines neuen Beginns. Egal was die Wirtschaftsprognosen verheißen, egal wie unsicher die Zukunft vieler Bulgaren aussieht, wird jeder von uns in der Festnacht das Beste für sich und für seine Nächsten wünschen. So war es schon immer. Im Angesicht des Unbekannten haben unsere Vorfahren vielleicht viel öfter als wir ihre ganze geistige Kraft gesammelt, um erneut in das Ungewisse zu schreiten. Sie haben magische Rituale in der Hoffnung vollführt, dass sie für ihre Familien erneut Schutz und Segen bekommen. Jeder von uns trägt einen Teil dieses kollektiven Gedächtnisses. Auf unerklärliche Weise werden diese Denkweisen wieder wach, wenn wir zum wiederholten Male die Zeitgrenze überqueren.

Den ersten Tag des Jahres nennt das Volk „Surwaki“. Der Name kommt aus dem Brauch, sich mit einer Neujahrsrute zum neuen Jahr Glück zu wünschen, der in der Festnacht vollzogen wird. Am selben Tag ehrt die orthodoxe Kirche den Heiligen Basilius den Großen. Der Basiliustag vereint heidnische und christliche Tradition. In den Liedern, die traditionell gesungen werden, wird eine Wassila oder Wassilia erwähnt, die die Zukunft der jungen Mädchen vorhersagt. Die Festtafel wird am Abend nicht abgedeckt, das passiert erst am darauffolgenden Tag. So gedenkt man auch der Toten, denn man glaubt daran, dass ihre Geister in der Nacht vorbeikommen und auch speisen werden. Damit werden Gott, die Verstorbenen und die heimlichen Beschützer des Hauses geehrt. In der Tradition der bulgarischen Roma-Gemeinde gibt es die Gestalt von Bango Wassil. Auch sie räumen die Speisen von der Festtafel nicht weg, da sie hoffen, dass ihr himmlischer Beschützer in der Nacht erscheinen wird.

In den Vorstellungen der Bulgaren fallen die Tage vor Weihnachten und dem Beginn des neuen Jahres in der so genannten „schmutzigen Zeit“ hinein. Sie beginnt mit den Wehen der Gottesmutter, die am Ignatiustag am 20. Dezember einsetzen, umfassen die Geburt Christi am 25. Dezember und enden mit der Erscheinung Gottes, oder dem Jordanstag am 6. Januar. Von Unwissen zum Wissen, von Chaos zur Ordnung, von Dunkelheit zum Licht – all diese Prozesse finden in dieser Zeit statt und werden durch die Bräuche veranschaulicht. Die Traditionen um den Jahresbeginn wiederholen fast alle Rituale um den Heiligen Abend und Weihnachten. Einer der größten Unterschiede ist jedoch die Tatsache, dass am Vorabend des 1. Januars an der Festtafel unbedingt auch Fleisch und tierische Produkte präsent sein sollen, und zwar reichlich. Dazu gehört auch das am Weihnachten rituell geschlachtete Ferkel, was an sich eine Ausnahme bei den rituellen Speisen in Bulgarien ist. Das Schweinefleisch wird zusammen mit den anderen Speisen beweihräuchert. Dimitar Marinow, ein Ethnograph, der diese Bräuche um die Jahrhundertwende zu Beginn des 20. Jh. aufgeschrieben hat, berichtet auch darüber, dass bei den Zigeunern an diesem Tag ein Schweinekopf beweihräuchert wird und zwar egal, ob sie Christen oder Moslems sind.

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Früh morgens am 31. Dezember backen die Frauen zuerst die Ritualbrote. Dann haben sie, ohne sich die Hände zu waschen, alle Bäume im Hof ihres Hauses berührt, damit sie auch im nächsten Jahr wieder Früchte tragen. In einigen Teilen des Landes wird dieser Brauch auch heute noch praktiziert. Die Ritualbrote werden je nach Region auch anders gemacht und verziert. Außer das runde Ritualbrot, das für Fruchtbarkeit und Wohl im Haus sorgen soll, wird auch eine Banitza mit verschiedenen Glückszetteln und Wünschen für das neue Jahr gebacken. Es gibt sie mit Blätterteig und Käse oder aber auch mit Kraut, Lauch oder Spinat als Füllung. Eine andere traditionelle Speise, die heute fast vergessen ist, ist der s.g. Bulgurnik. Sie wird aus zerkleinerten Weizenkörnern, Schweineschmalz und Eier, die gebraten werden, zubereitet. In allen Speisen hat man früher ein kleines Stückchen eines Kornelkirschbaumzweigs hineingetan. Sie alle hatten eine unterschiedliche Zahl an Knospen. Die Hausfrau hat sie sich gemerkt und jedes dieser Glücksbringer eine besondere Bedeutung zugesprochen – sie sollten Glück, Wohlhaben, Prosperität, Gesundheit, Heirat, Erfolg etc. bringen. Heute ist die Banitza mit den Glückszetteln ein untrennbarer  Bestandteil der Festtafel der Bulgaren.

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Banitza mit Glückszetteln

Der Brauch „Laduwane“ oder die Wahrsagung mit den Ringen wurde ebenfalls am Basielusthag vollzogen. Die unverheirateten Mädchen versammelten sich um einen Kessel mit Wasser und stellten ihre Ringe darin. Daraus hat man dann geraten, welchen Jungen sie heiraten werden. Heute ist dieser Brauch ein Relikt aus alten Zeiten und wird nicht mehr praktiziert. Ganz anders als der Brauch, der den Namen des Festes gegeben hat.

„Сурва, весела година, златен клас на нива, червена ябълка в градина...“

In den ersten Stunden des Neuen Jahres sind diese Worte überall dort zu hören, wo es Bulgaren gibt. Nach der Tradition werden diese Wünsche von den Jungen ausgesprochen, während sie energisch den Menschen mit der Neujahrsrute auf den Rücken klopfen. Unabhängig davon, wie sich unser Leben geändert hat, haben die Neujahrsruten immer noch einen festen Platz in unserer Neujahrstradition. Es gibt kaum ein Haus in Bulgarien, besonders dort, wo es auch Kinder gibt und zwar Jungs, in dem eine reich beschmückte Surwatschka, d.h. Neujahrsrute, schon seit Weihnachten ihren Ehrenplatz nicht eingenommen hat. Man macht sie zunehmend auch selbst – aus frischen Kornelkirschbaumzweigen, die mit bunten Wollfäden, Popkorn und getrockneten Früchten reich verziert werden. Obligatorisch ist auch eine leuchtend polierte „goldene“ Münze. Man kann auch eine Praline in Alufolie einwickeln, wichtig ist die Symbolik – sie soll für das materielle Wohl der Familie im neuen Jahr sorgen.

© Foto: Archiv

Surwakari

Aus der fernen Vergangenheit zu uns gekommen, hat dieser Brauch eine tiefe Bedeutung. Die Surwakari im ganzen Land haben eine ähnliche Funktion wie die Koledari. Beide Gruppen besuchen alle Häuser der Nachbarschaft und wünschen den Bewohnern Glück, Gesundheit und Wohl. Sie schließen durch ihren Gang einen Kreis, der seit eh und je das Symbol der Sonne ist und eine schützende Funktion hat. Die Tradition ist, dass Jungs im Alter zwischen fünf und zwölf Jahren Surwakari sein können. Das Wort kommt vom Adjektiv „roh“ oder "zäh"- „surow“, so wie die Kornelkirschbaumzweige. Im Volksglauben ist der Kornelkirschbaum ein Symbol des Durchhaltevermögens, der Kraft und der Langlebigkeit. Daher werden seine Zweige für die Anfertigung der Surwatschki (Wünschelruten) verwendet, mit denen allen Menschen Freude, Glück und Liebe gewünscht wird, die damit in Berührung kommen.

Übersetzung: Milkana Dehler
По публикацията работи: Albena Besowska


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