„Die bulgarische Energiebranche gleicht englischem Fußball aus der Vergangenheit – hohes Laufpensum ohne Effizienz.“ So umschrieb Wirtschafts- und Energieminister Traitscho Traikow während eines Rundtisches zur Fragen von Energiesicherheit und Diversifizierung die Lage der heimischen Energetik. Gleichzeitig stellte der Ressortchef die Grundparameter der künftigen Energiestrategie des Landes vor, die bis Jahresende verabschiedet werden soll.
In der neuen Strategie setzt man auf Energieeffizienz, auf einen wettbewerbsfähigen Strom- und Gasmarkt, auf neue Technologien und vermehrt auf erneuerbare Energien. Dabei will Bulgarien vor allem Energierohstoffe, Bezugsquellen und Lieferwege diversifizieren. Laut EU-Strategie muss das Land bis 2020 folgende Ziele umsetzen: Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien auf 16 Prozent, Senkung des Kohlendioxidausstoßes um 20 Prozent sowie Verbesserung der Energieeffizienz um 50 Prozent.
Die Gaskrise zu Jahresbeginn veranschaulichte deutlich die Notwendigkeit von Gasverbundsystemen mit den Nachbarstaaten Griechenland, Türkei und Rumänien. Die in diesem Zusammenhang erforderlichen Maßnahmen sollen bis Ende Oktober von der EU-Kommission bewilligt werden. Laut John Ordway, zeitweiliger Leiter der US-Botschaft in Sofia, bräuchten die kleineren Staaten ein gemeinsames Energienetz. Der gleichen Meinung ist zudem der Wissenschaftler Eduard Chow vom Zentrum für Strategische und Internationale Studien in Washington. Sein Kommentar – zahlreiche energieabhängige Staaten hätten den richtigen Mix gefunden und setzen nun auf diversifizierte Bezugsquellen und erneuerbare Energien. So mindern sie das Risiko und ihre Abhängigkeit von Monopolen. Auch Minister Trajkow bezeichnete offene internationale Märkte als außerordentlich wichtig.
„Aufgrund seiner strategischen Lage sowie des einheimischen Bedarfs hat Bulgarien in den letzten Jahren zahlreiche Strategieprojekte auf den Weg gebracht, die für die nationale, regionale und europäische Versorgungssicherheit von Bedeutung sind“, kommentiert Minister Traikow. „Die Projekte umfassen die Erdgasleitungen Nabucco und Südstrom, das zweite Atomkraftwerk des Landes und die Burgas-Alexandroupolis-Ölpipeline. Das Nabucco-Projekt hat für Bulgarien und die Europäische Union vorrangige Bedeutung, da damit alle Diversifizierungsprobleme auf einen Schlag gelöst würden, sowohl in Bezug auf Bezugsquellen, als auch in Bezug auf die Lieferwege. Denn die neue Trasse würde Gas aus dem Kaspischen Raum und dem Nahen Osten sichern. Die Südstrom-Pipeline wäre ein neuer Lieferweg für russisches Gas, wovon auch andere europäische Staaten profitieren könnten. Das Projekt befindet sich in der Anfangsphase, jedoch sind sich alle Projektteilnehmer einig, dass dieses auch nach Projektprinzip strukturiert werden müsse.“
Während des Rundtischgesprächs wurden zudem verschiedene Daten genannt. So verbraucht Bulgarien beispielsweise 1,17 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für Strom, Deutschland lediglich 0,17 Prozent. Was die Effizienz der bulgarischen Energiebranche angeht, liegt diese bei etwa einem Viertel des EU-Durchschnitts. Allein in diesem Bereich gibt es also noch beträchtliche Reserven. Atom- und Kohle-Lobby, denen staatliche Stromaufkaufpreise sicher sind, seien gegen Diversifizierung und erneuerbare Energien, so Fachleute des Zentrums für Demokratieforschung. Zudem fordern die Spezialisten auch im Rahmen der 4-Säulen-Energiepolitik der EU klarere Standpunkte im Interesse des Landes und zwar – eine CO2-arme Wirtschaft, Energie in Notzeiten, neue Energietrassen sowie eine größere Auswahl für die Verbraucher.
Übersetzung: Christine Christov
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