Eine erneute Wendung in der Prozess-Saga gegen den Bebauungsplan der Gemeinde Zarewo, der einen Großteil des geschützten Gebietes einschließt, hat eine weitere Protestwelle zum Schutz des Strandscha-Naturparks ausgelöst. Die Saga um das von drei Umweltorganisationen angestrengte Gerichtsverfahren dauert nun schon sechs Jahre. Viel länger dauert die Schlacht der Naturschützer um die letzten unberührten Flecken Natur an unserer südlichen Schwarzmeerküste gegen die Beton-Offensive. Diese machte ziemlich dramatische Momente durch, wie etwa die vom Bürgermeister von Zarewo geforderte Status-Aufhebung für den seit 1995 bestehenden Strandscha-Naturpark. Mit der Beschwerde diverser Naturschutzorganisationen zu diesem Fall beschäftigt sich nun die Europäische Kommission.
Der Naturpark, der das im äußerten Südosten des Landes gelegene Strandscha-Gebirge umfasst, ist das größte Schutzgebiet des Landes und macht rund 20% der geschützten Territorien Bulgariens aus. Es umfasst das älteste Naturreservat Silkosia, das bereits 1933 als solches ausgerufen wurde. Auch verläuft über dem Strandscha-Gebirge der zweitgrößte Migrationsweg der Zugvögel in Europa - die Via Pontica. Durch das niedrige Gebirge mit seinen sanften Anhöhen schlängeln sich ferner die beiden saubersten Flüsse Bulgariens - Weleka und Resowska. Zudem ist das Strandscha-Gebirge einer der wenigen Standorte mit großen alten Eichenbeständen. Die mediterranen Witterungseinflüsse verspürt man vor allem mit dem nahenden Sommer, wenn die herrlichen großen Blüten des Pontischen Rhododendrons den Waldboden lila färben. Diesen Anblick kann man bei uns ausschließlich im Strandscha-Gebirge genießen. Europaweit ist diese Art nur noch im Kaukasus anzutreffen. Auch die Fauna des Strandscha-Gebirges hat mit 261 Vogel- und 54 Säugetierarten so einiges zu bieten.
Der in der Vergangenheit begrenzte Zutritt zu dieser Grenzzone war für den Naturreichtum des Gebirges ein glücklicher Umstand. Die Tatsache, dass sich der Naturpark bis an die Küste erstreckt, lastet jedoch wie ein Fluch über ihm, da das viele Urbanisierungsinteressen anlockt.
Am 28. Januar gingen in Sofia, Plowdiw, Burgas und Russe Umweltschützer auf die Straße, um gegen den vor einer Woche ergangenen Beschluss des Obersten Verwaltungsgerichts zu protestieren, der die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplanes der Gemeinde Zarewo bestätigt. Nach Ansicht der Naturschützer könne dieser Plan aufgrund eines fehlenden Umweltgutachtens nicht angewendet werden. 2009 hatte die frühere Umweltministerin Nona Karadschowa das positive Umweltgutachten zum Bebauungsplan von Zarewo als befangen bewertet und eingezogen. Jetzt schlagen beide Parteien - die Umweltorganisationen und das Umweltministerium - eine schmale juristische Klinge darum, ob die Einziehung des Umweltgutachtens den Bebauungsplan außer Kraft setzt oder nicht.
Bei der Umgehungstaktik auf der Suche nach neuen Möglichkeiten zur Bebauung der Strandscha-Küste hat man sehr weit ausgeholt. Der frühere Bürgermeister von Zarewo, der sich mit dem Versuch - den Schutz-Status des Strandscha-Gebirges rückgängig zu machen - einen Namen gemacht hat, wurde zum Chef des hiesigen Staatlichen Forstreviers ernannt. Zu vergleichen ist das mit einer Einladung an Gevatter Wolf, sich doch im Schafstall zu bedienen...
Der nächste Schritt war der Beschluss des Obersten Verwaltungsgerichts über die Änderung des Urteils aus der Vorinstanz, mit welchem der Bebauungsplan von Zarewo außer Kraft gesetzt worden war. Unmittelbar darauf wurde der langjährige Parkdirektor Stefan Zlatarow, der sich den Versuchen zur Bebauung dieses romantischen Fleckens an der südlichen Schwarzmeerküste stets entgegengestellt hat, gebeten, seinen Posten zu räumen. Jetzt ist der Weg frei für einen neuen Vormarsch der Bagger....
Besorgniserregend sei die Tatsache, dass der jüngste Beschluss des Obersten Verwaltungsgerichts einen Präzedenzfall für das Inkrafttreten von Bewirtschaftungsplänen ohne Umweltgutachten schafft. Übergreifend ist das Gericht der Auffassung, dass es zum Bebauungsplan von Zarewo in der Tat kein Umweltgutachten gibt. Da die einmal verabschiedeten Pläne jedoch vor Gericht nicht anfechtbar sind, bleiben sie in Kraft. Seit Jahren kämpfen die Naturschutzorganisationen in Bulgarien um die Anwendung der von Bulgarien ratifizierten Aarhus-Konvention über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten. Laut bulgarischem Raumordnungsgesetz kann jedoch gegen Bebauungspläne keine Berufung eingelegt werden.
"Die Bebauungspläne der Gemeinden sind sehr wichtig, da auf diese Weise ersichtlich ist, was in einer Gemeinde erlaubt und verboten ist und ob irgendwelche Regeln eingehalten werden", erklärte Umweltministerin Iskra Mihajlowa. Eine indirekte Antwort auf die Frage, warum für diese Bebauungspläne kein Berufungsrecht eingeführt werde, was den Prozess hinausschieben und verzögern würde. Wenn die Bebauungspläne, die die Regeln festlegen, so wichtig sind, ist es interessant zu erfahren, warum der bereits vor 8 Jahren erstellte Bewirtschaftungsplan für den Strandscha-Naturpark bis heute nicht vom Umweltministerium abgesiegelt wurde!!! Ist es Zufall, dass von allen Naturparks in Bulgarien lediglich der Strandscha-Naturpark ohne Bewirtschaftungsplan ausharrt?
Übersetzung: Christine Christov
Fotos: strandja.bg