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Es ist zur Tradition geworden, dass die Auslandsbulgaren für Protestträger stimmen

Viele unserer Landsleute haben keine politische Vertretung

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Foto: pixabay

Die politische Krise in Bulgarien hat zu überraschenden vorgezogenen Parlamentswahlen geführt - den sechsten in weniger als drei Jahren. Den bisherigen sechs Parteien im Parlament gesellt sich nun die neue, bisher unbekannte politische Partei „Welitschie“ hinzu, die 13 Abgeordnete stellt. Die Wahrscheinlichkeit, dass es gelingen wird, eine stabile Regierung zu bilden, scheint hingegen ein Traum für Optimisten zu bleiben.

Ein großer Teil der bulgarischen Wähler im Ausland hat sich für die neue parlamentarische Partei „Welitschie“ („Erhabenheit“) entschieden. Bei ihnen hat sie sogar den Spitzenreiter im „Ranking“ - GERB-SDS - überholt.

„Der Grund für die Anerkennung dieser Partei durch unsere Landsleute im Ausland ist, dass es für sie im Laufe der Zeit zur Tradition geworden ist, Persönlichkeiten zu suchen und zu wählen, die die Proteststimmung, die sie erfasst hat, zum Ausdruck bringen“, so Parwan Simeonow von der Meinungsforschungsagentur „Gallup International Balkan“ gegenüber „Radio Bulgarien“.

Parwan Simeonow

„Parteien wie „Welitschie“ sind in den sozialen Medien präsent und erreichen sehr leicht diese Gemeinschaften. Darüber hinaus haben „Welitschie“ und „Wasraschdane“eine solide Kampagne im Ausland geführt. Der von „Wasraschdane“ gebahnte Weg scheint auch für andere Gruppierungen günstig zu sein“, so Parwan Simeonow.

Die DPS ist die Partei, die bei den Wahlen am 9. Juni die meisten Wählerstimmen im Ausland erhalten hat. Sie genießt eine traditionsgemäß starke Unterstützung von Wählern in der Türkei, wo die meisten Wahllokale eingerichtet wurden. Ist ihr Wahlergebnis aber nur damit zu erklären?

Deljan Peewski, Vorsitzender der DPS

„Die DPS hat recht gut abgeschnitten, denn die größte Frage war, ob die neue Parteiführung den Wählern in der Türkei imponieren wird“, sagte Parwan Simeonow. „Von dort erhielt die DPS etwa 40.000 Stimmen (von 366.562 Wahlberechtigten), was nicht wenig ist. Aber es könnte einen gewissen Rückgang gegeben haben, den sie mit ihrem Zuwachs in Bulgarien auszugleichen versuchte, und zwar bei den Wählern, die nicht der türkischen Gemeinschaft angehören, aber das ist nicht sichtbar.“

Parwan Simeonow wies darauf hin, dass die Parteien DPS, ITN und WMRO die einzigen politischen Kräfte sind, die im Vergleich zu den letzten Wahlen nominell an Stimmen zugelegt haben.

„Das ist wichtig, denn es schreibt sich in den allgemeinen Trend ein, dass Formationen, die einen stärkeren Protest ausdrücken oder radikal-nationalistischer sind, besser abschneiden.“

Angel Dschambaski

Abgesehen von der Tatsache, dass die Gewinner tatsächlich an Unterstützung verloren haben - die Vorsitzendenvon GERB-SDS haben beispielsweise im Vergleich zu früheren Parlamentswahlen über 100.000 Stimmen verloren - werden diese Wahlen als die mit der niedrigsten Wahlbeteiligung seit Beginn der demokratischen Prozesse in Bulgarien in die Geschichte eingehen.

Die Wahlbeteiligung sollte ein rotes Warnsignal für die Politiker sein. Sie zeugt von Wahlmüdigkeit und Erschöpfung der Wähler, was sich auf die Qualität der Demokratie in Bulgarien auswirkt, meinen Analysten. Die Tatsache, dass die Wahlen „2 in 1“ waren, hat nicht dazu beigetragen, die Wahlbeteiligung zu erhöhen.


Zu den Gründen für die niedrige Wahlbeteiligung unserer Landsleute zählt er auch die Tatsache, dass ein Teil von ihnen nach wie vor politisch nicht vertreten ist. Dieses Segment unserer Gesellschaft besteht aus Menschen, die etwas gen Osten ausgerichtet sind, meint Simeonow. Wie viele andere Analysten sieht auch er eine politische Nische für die Entstehung einer neuen Formation, die mit Präsident Rumen Radew verbunden ist, der in unserem Land ein beneidenswertes politisches Vertrauen genießt. Warum hat ein solches neues politisches Projekt Potenzial?

Rumen Radew

„Der Präsident kann mit diesen Leuten und gleichzeitig auch mit den Zentristen sprechen, aber er spricht kaum mit den prowestlichen Liberalen. Deshalb könnte der Präsident vielleicht dazu auffordern, den so genannten „Osten“ mit dem so genannten „Zentrum“ zu vereinen. Der Grund dafür ist, dass der Osten in unserem Land immer in einem gewissen Maße isoliert war, vor allem wegen des Monopols der DPS“, meint Parwan Simeonow.

Die Ergebnisse der 2-in-1Wahlen haben auch zu bedeutenden Rücktritten in zwei politischen Formationen geführt. Zuerst trat der Vorsitzende von „Ja, Bulgarien“, Christo Iwanow, zurück und am nächsten Tag auch die BSP-Vorsitzende Kornelia Ninowa. Was auf der bulgarischen politischen Szene folgen wird, das werden wir bald erfahren.


Übersetzung: Rossiza Radulowa



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