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Teodor Borisow – Il grande lupo bulgaro* der Marionetten

Der Puppenspieler reist nach Ecuador, um einen Meisterkurs für Mikrodramaturgie abzuhalten

Foto: Facebook / Gemeinde Widin

Er erweckt Holzpuppen zum Leben, aber sie sind es, die beginnen, erfüllt von der Energie ihres Schöpfers, mit unsichtbaren Fäden, wie in einem echten Marionettentheater, sein Schicksal zu lenken. Und alle zusammen schaffen eine magische Atmosphäre, in der Poesie, Philosophie und Materie eine neue, bessere Welt bilden.
Il grande lupo bulgaro – so wird der Puppenspieler Teodor Borisow in Italien genannt. Doch er hält nicht nur an seiner bulgarischen Herkunft fest, er nutzt auch jede Gelegenheit, um darauf aufmerksam zu machen, dass er aus Widin, „der schönsten Stadt der Welt“ stammt. 
„Ich erinnere mich noch an den ersten Kontakt mit dem Puppentheater. In den bitterkalten Wintern, die längst vorbei sind, wurden wir mit dem Bus nach Kaleto gebracht...“, taucht eine kurze Kindheitserinnerung von ihm auf.
Nachdem Teodor Borisow die Donaustadt verlassen und sein Talent in zahlreichen Kulturhauptstädten, Ländern und sogar Kontinenten verfeinert hat, bereitet er sich heute auf eine Reise nach Ecuador vor, wo er auf Einladung des Kulturministers in der Hauptstadt Quito einen intensiven Meisterkurs im Rahmen des internationalen Puppenspielfestivals leiten wird.
„Ich werde Mikrodramaturgie, wie wir mit einem Philosophen der Alma Mater Studiorum in Bologna den Kurs nannten, unterrichten“, erklärte der Künstler.
“Es handelt sich um eine Kurzform einer in einem musikalischen Umfeld präsentierten Geschichte, die in einer dreistündigen oder dreiminütigen Aufführung erzählt werden kann. Und weil ich in Italien studiert und gearbeitet habe, werde ich den Studenten zeigen, was ein Finale Grande ist! Gerade wenn das Publikum denkt, die Aufführung sei vorbei, geben wir ihm etwas, was sie in Staunen versetzt, etwas, was sie nicht erwartet haben! Ich werde den Studenten auch beibringen, wie Holzpuppen mit Mimik und Gestik durch die Bewegung der Hände, Augen, des Mundes geführt werden, alles was nötig ist, um eine kurze Etüde aufzuführen“, erzählt Teodor Borisow.
Doch bevor das alles möglich wurde, gab es ein Kind namens Teodor Borisow, das davon träumte, die Bühne in sein Zuhause zu verwandeln und durch die Augen der Puppen ein Lächeln und Tränen auf den Gesichtern der Menschen zu zaubern.



Nach dem Abschluss der Berufsschule für Mechaniker in seiner Heimatstadt scheiterte er drei Mal, bevor er schließlich in das Künstlermekka aufgenommen wurde. Nach dem ersten Studienjahr an der Nationalen Akademie für Theater- und Filmkunst „Krastjo Sarafow“ in Sofia abgeschlossen hatte, ging er nach Venedig, um sich als Straßenkünstler zu versuchen.
„Am ersten Tag habe ich die Wände berührt und Tränen flossen über mein Gesicht, weil ich nicht glauben konnte, dass so etwas existiert“, erinnert sich Teodor Borisow.
Er hatte sich Kaffee auf der Piazza San Luca bestellt und hantierte mit seiner Marionette, um für einen Auftritt zu proben. Während seiner Übungen ließ jemand einen Hut hinter Teodor auf dem Boden liegen, und nach einer Weile versammelten sich dort viele Menschen und applaudierten ihm. Es gelang ihm, in 15-20 Minuten 80 Euro zu verdienen. Am nächsten Tag ging er in die Bibliothek und begann, über Commedia dell'arte und alle Geschichten rund um das Straßentheater zu lesen.
So wurde Teodor Borisow über Nacht dank seiner Puppe Piero klar, dass er ein Straßenkünstler geworden war. Er beschloss, sich in die Klasse des Professors mit der „größten Marionettenseele“, Rumen Ratschew, einzuschreiben, spezialisiert in Österreich beim berühmten Puppenspieler Wilfried Popek. Jedes Jahr kehrte er mit einer, zwei oder drei Puppen nach Venedig zurück, bis viele Menschen begannen, ihre Kinder mit seinem Marionettentheater groß werden zu lassen.
Eine der großen Leistungen von Il grande lupo bulgaro ist, dass er nach der Operndiva Raina Kabaiwanska der zweite Bulgare war, der auf der Bühne des Teatro La Fenice in Venedig gestanden hat.
In der Zwischenzeit öffnen sich die Türen des Weltpuppenspiels für ihn immer weiter und er bekommt zahlreiche Auftritte und Anerkennungen. Eine davon ist die Aufführung von „Gullivers Reisen“, bei der er allein eine Stunde und vierzig Minuten lang 32 Puppen führt. Weitere Anerkennungen sind die Einladung eines berühmten italienischen Kritikers, an der Universität Bologna zu lehren, der nach Federico Fellini benannte Preis für den besten Künstler Italiens und die Nominierung für den besten europäischen Puppenspieler durch einen der saudischen Scheichs.



Teodor Borisow stellt seine eigenen Puppen her und sagt stolz, dass keine seiner Puppen der anderen gleicht. Beim Bau der Puppen geht er mit der Virtuosität eines geschickten Handwerkers vor – die Augenlider seiner Puppen heben sich, ihre Finger bewegen sich, ihre Lippen verziehen sich zu einem Lächeln, sogar ihre Nasen nehmen am Gesichtsausdruck teil.
Auf der bevorstehenden Tour in der Hauptstadt Ecuadors erwarten ihn schwere Prüfungen. „Im Moment herrscht im ein Bürgerkrieg Land, die Kartelle bekriegen sich und es wird scharf geschossen. Deshalb habe ich einen Vertrag zur Bewachung durch Spezialeinheiten der militärischen Spionageabwehr Kubas unterzeichnet“, teilte Teodor Borisow in einem Interview für den BNR-Widin mit.
„Wenn ihnen der Meisterkurs gefällt, werden wir auf kultureller Ebene einen Boomerang-Effekt erzeugen und sie werden nach Widin kommen”, kehrt er sofort zu seiner Mission als Künstler zurück. „Ich denke, dass die Stadt kulturelles Wachstum braucht, und zwar nicht nur international, sondern kontinental. Für mich ist Widin ein Rohdiamant“, sagt der Künstler.



In der Stadt, in die Teodor Borisow immer wieder zurückkehrt, überbringt er den Eltern eine wichtigste Botschaft: „Geht mit euren Kindern ins Puppentheater! Es wird ihre philosophische Entwicklung fördern, ihnen zum Licht und geistigen Wachstum verhelfen, damit sie verstehen, was gut und was böse ist - wir arbeiten für sie!“

* Der große bulgarische Wolf

Text: Diana Zankowa nach einem Interview von Sonja Waleriewa, BNR-Widin
Übersetzung: Antonia Iliewa
Redaktion: Georgetta Janewa

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