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Mehr als 60 Prozent der Menschen in Bulgarien sind einkommensarm

KNSB: Bei doppelt so niedriger Produktivität haben die Arbeitnehmer hierzulande fünfmal niedrigere Löhne als in Europa

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Foto: БТА

Die monatlichen Lebenshaltungskosten einer berufstätigen Person, die in einer einköpfigen Familie lebt, belaufen sich auf etwas mehr als 1.450 Lewa. Und für den monatlichen Unterhalt einer dreiköpfigen Familie, was derzeit dem Modell der meisten Haushalte in Bulgarien entspricht (zwei berufstätige Erwachsene und ein Kind unter 14 Jahren), sind 2.616 Lewa nötig.

Die Analyse stammt vom Institut für Sozial- und Gewerkschaftsforschung der Bulgarischen Nationalbank, das Daten zu Preisen im Verhältnis zu Einkommen für jedes Quartal des Jahres in Bulgarien überwacht und zusammenfasst.

Jeder, der in Bulgarien arbeitet, wird zustimmen, dass man mit einer Summe von rund 700 Euro seine Kosten für Strom, Wasser und Heizung decken kann, deren Preise seit Jahresbeginn teilweise gestiegen sind. Mit einem solchen Betrag kann sich der Arbeitnehmer auch Lebensmittel kaufen, jedoch ohne Extravaganz.

Allerdings werden ihm die Mittel für Bildung, Kultur, Urlaub und Reisen fehlen.

Das Monatseinkommen von 65 Prozent der Arbeitnehmer in unserem Land liegt jedoch unter 700 Euro. Ganz zu schweigen davon, dass laut Daten des Nationalen Versicherungsinstituts etwa 800.000 Menschen in unserem Land mit einem durchschnittlichen Versicherungseinkommen von bis zu 1.000 Lewa. (500 Euro) auskommen müssen.


Selbst jemand ohne viel Erfahrung in Wirtschaftswissenschaften würde diese Personengruppe als „arbeitende Arme“ bezeichnen, insbesondere vor dem Hintergrund der jüngsten Inflationsdaten. Und nach Angaben des Nationalen Statistikamtes sind seit Februar bis heute die Preise für Benzin, Gas und Diesel sowie für Wasser gestiegen. Experten stellen eine Beruhigung der Preise für Gemüse, Öl, Eier, Käse und andere Grundprodukte fest.

Die wichtigste Schlussfolgerung der Gewerkschaft ist: „Trotz der positiven Trends auf dem Markt sind wir in Bulgarien noch sehr weit von einer Annäherung zwischen Existenzminimum (1.450 Lewa) und Mindestlohn entfernt, der seit Jahresbeginn 933 Lewa beträgt. Dies lässt sich sehr leicht erkennen, wenn man es mit anderen europäischen Ländern vergleicht“, sagte der Wirtschaftsexperte der Konföderation der unabhängigen Gewerkschaften Bulgariens (KNSB) Ljuboslaw Kostow:

„Zum Beispiel muss ein Arbeitnehmer in Bulgarien von Januar bis 15. April arbeiten, um insgesamt den Mindestlohn eines Arbeitnehmers in Deutschland zu erhalten. Und wenn man mit Luxemburg vergleicht, reicht diese Frist bis in den Monat Mai hinein. Wenn wir unsere Einkommen auf diese Weise vergleichen, sehen wir, wie weit wir von den durchschnittlichen europäischen Einkommen entfernt sind. Da der Unterschied in der Arbeitsproduktivität im In- und Ausland nicht so groß ist, ist die der Unterschied bei den Löhnen fünfmal höher. Der Unterschied im Lebensstandard ist also frappierend“, betonte Ljuboslaw Kostow.


Аlarmierend ist auch das Tempo, mit dem der Mindestlohn wächst. Er liegt derzeit bei 933 Lewa, was die Hälfte des durchschnittlichen Versicherungseinkommens fü Bulgarien ausmacht. Aber die KNSB fordert, dass der Mindestlohn dem Einkommen entsprechen sollte, das derzeit in Bulgarien für den Lebensunterhalt benötigt wird.

„Wenn sich dieses Gehalt dem existenzsichernden Lohn nähert, bedeutet das, dass etwas getan wird, um die Interessen der arbeitenden Menschen in Bulgarien zu schützen“, erklärte Ljuboslaw Kostow.


“Die Unterschiede bei den Preisen des kleinen Warenkorbs - der Grundnahrungsmittel, auf die ein Haushalt nicht verzichten kann - sind auch ein Maßstab dafür, wo wir im Vergleich zu anderen in Europa stehen. In Bulgarien können die zwanzig Grundnahrungsmittel, auf die man nicht verzichten kann, mit einem Mindestlohn nicht mehr als achtmal gekauft werden. Im benachbarten Rumänien, wo die Inflation höher ist als hierzulande, können diese Grundnahrungsmittel mit einem Mindestlohn 15-mal gekauft werden. Und in Deutschland gehen wir sogar noch weiter - dort kann ein Mindestlohnempfänger in den Supermarkt gehen und 33 Einkaufswagen mit allen 20 lebensnotwendigen Gütern füllen. Der positive Trend ist, dass die Zahl der Menschen mit geringem Einkommen innerhalb eines Monats um etwa 3 Prozent zurückgegangen ist“, resümierte Ljuboslaw Kostow.


In diesem Zusammenhang besteht die KNSB darauf, dass der existenzsichernde Lohn sowohl auf vierteljährlicher als auch auf jährlicher Basis weiter steigen sollte. Da die Gewerkschafter feststellen, dass die Inflation des kleinen Warenkorbs im ersten Quartal um knapp über 4 Prozent gestiegen ist, bestehen sie auch auf ein Lohnwachstum für den gleichen Zeitraum.

Übersetzung: Tichomira Krastewa

Redaktion: Rossiza Radulowa




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