Die Abgeordneten haben sich heute zu einer außerordentlichen Sitzung des Parlaments zusammengefunden, um in erster Lesung über die Änderungen des Strafgesetzbuches und des Gesetzes zum Schutz vor häuslicher Gewalt abzustimmen. Die Mitglieder des Rechtsausschusses haben am letzten Donnerstag einstimmig den Änderungen im Strafgesetzbuch zugestimmt, die von GERB-SDS, PP-DB und DPS vorgeschlagen wurden. Der Grund für die dringend eingebrachten Novellen sind die in letzter Zeit immer häufiger vorkommenden Fälle der Gewalt gegen Frauen und insbesondere der Fall, bei dem ein 18-jähriges Mädchen aus Stara Sagora mit einem Teppichmesser brutal entstellt wurde, eine Handlung, die vom Gericht und der Staatsanwaltschaft als „leichte Körperverletzung“ abgetan wurde. Die Tat hatte sich im Juni ereignet. Die Öffentlichkeit erfuhr erst in der letzten Juliwoche und reagierte mit einer Welle von Protesten. In Sofia, Stara Sagora und 20 weiteren Städten sowie im Ausland lebende Bulgaren forderten eine sofortige und effektive Bestrafung des Gewalttäters. Die Proteste werden am 8. August fortgesetzt werden. Der Öffentlichkeit wurde durch den Fall „Deborah“ schmerzhaft bewusst, dass die zuständigen Institutionen Amtshandlungen zugunsten von Rezidivsten, die bereits ähnliche Straftaten begangen haben, unterlassen.
„Wir Bulgaren haben es kategorisch satt, denn es gibt keine normale Familie, keine normale Mutter oder Vater, keinen normalen Menschen überhaupt, die diese Gewalt als Teil unseres Alltags akzeptieren würden. Wir müssen mit der Angst leben, dass unser Kind gedemütigt, geschlagen oder psychische Folter erleidet, wie es bei der 18-jährigen Deborah aus Stara Zagora der Fall war, die 21 Mal mit einem Teppichmesser gestochen wurde. Nicht zu vergessen das Traumader Frauen, die mit Säure übergossen wurden“, sagt die Bürgeraktivistin Maria Bonewa, die auf die Gesetzesänderungen besteht, damit die Schuldigen schnell und wirksam bestraft werden. Maria selbst kämpft seit 20 Jahren mit physischen und psychischen Traumata nach einem schweren Übergriff.
„Es muss die Art und Weise der forensisch-medizinische Untersuchungen geändert werden. Solange Frauen getötet, zerstückelt und anschließend in einen Koffer gepfercht werden, muss schnell und wirksam ein Urteil gefällt werden können. Dafür werde ich kämpfen!“, sagt Maria Bonewa entschlossen. „Es darf nicht sein, dass Vergewaltiger gegen Kaution freigelassen werden, ganz zu schweigen von ihrer Höhe - zwischen 250 und 500 Euro. Die minimale Geldgarantie sollte bei 13.000 Euro anfangen, denn das ist der Mindestbetrag für die Behandlung des Opfers. Schwere Verbrechen sollten mit lebenslanger Haft bestraft werden“, fordert Bonewa und empört sich, dass alles aus der Sicht der häuslichen Gewalt betrachtet wird. Das ganze Rechtssystem in Bulgarien sei marode und müsse verändert werden.
„Ich habe das Recht das zu behaupten, denn ich beteilige mich an den Protesten in Stara Sagora aus der Position des Opfers und nicht des Vertreters einer Partei, die bestimmte Interessen verfolgt. Gewalt gibt es nicht nur in Form von häuslicher Gewalt – wir haben Fälle erlebt, in denen ein Mann seine Frau tötet und in einen Koffer steckt, Fälle, bei denen zwei Kinder ein anderes Kind töten, oder junge Männer im Alter von 19 Jahren, die helfen, die Leiche eines anderen ermordeten Jungen zu begraben. Sie gehen nicht helfen, zum Beispiel Dachziegel zu transportieren. Nein, sie helfen, die Leiche eines Gleichaltrigen zu verscharren! Das alles passiert im 21.Jahrhundert, im Jahrhundert der Hochtechnologien. Es geht hier nicht um einen Einzelfall von Gewalt, sondern um eine Anhäufung. Das ist der Verfall unserer Gesellschaft. Wir haben es zugelassen, dass es so weit kommt. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Eltern gegenüber der manifestierten Grausamkeit ihrer Kinder gleichgültig sind. Den Konsum von Betäubungsmitteln sehen sie als geringfügiges Problem an. Doch Betäubungsmittel trüben das Bewusstsein und sind oft die Ursache für Gewalt. In diesem Zusammenhang betrachtet ist der öffentliche Protest als Unterstützung für die entstellte junge Frau aus Stara Sagora viel tiefgreifender, denn er ist gegen die Missstände unserer Gesellschaft gerichtet. Seit Jahren sind wir Zeugen, wie die Probleme bewusst verdeckt werden. Derjenige, der Deborahs Körper mit dem Messer verunstaltet hat, hat auch in der Vergangenheit Straftaten begangen und Frauen niedereschlagen, aber keine wirksame Strafe dafür erhalten. Es wäre nicht verwunderlich, wenn er einer kriminellen Vereinigung angehört, denn der Fall Deborah wurde nicht in die Kriminalchronik aufgenommen, obwohl es Hinweise dafür gab. Es geht hier nicht einfach um einen Jungen, der in ein Mädchen verliebt war, es stecken ganz andere Interessen hinter diesem Fall“, behauptet Maria Bonewa. Das einzige brauchbare Zeichen einer Veränderung wäre für sie das sofortige und effektive Urteil gegen den Straftäter.
„Die Tatsache, dass sich die Abgeordneten versammelt haben, um das Gesetz über häusliche Gewalt zu ändern, ist nichts Fortschrittliches“, glaubt Maria Bonewa. Für sie wäre das einzige Zeichen der Veränderung, wenn es schon am nächsten Montag eine schnelle und wirksame Verurteilung des Täters gäbe. „Alles andere ist eine Politisierung des Falls, in dem es viel menschliches Leid gibt“, kommentiert Bonewa und fügt hinzu, dass die Wut noch größer sei, weil die Institutionen in Bulgarien selektiv vorgehen. Wenn das Opfer die Tochter eines Staatsanwalts oder eines der Gouverneure gewesen wäre, hätte es einen schnellen und effektiven Strafprozess gegeben. Für alle andere Menschen gibt es keinen solchen Schutz“, empört sich Maria Bonewa.
„Nichts rechtfertigt die Institutionen, denn wie können sie eine Person freilassen, die ein erwiesener Sadist ist. Es ist inakzeptabel, dass die Staatsanwältin, die auch eine Frau ist, den Kriminellen freilässt. Noch schlimmer ist die Tatsache, dass die Wunden des Mädchens, damit die Hauut nicht abstirbt, ohne Betäubungsmittel genäht wurden. Nur wer so etwas erlebt hat, kann sich vorstellen, was für ein Schrecken das ist. Der Arzt hat drei Stunden lang die Wunden genäht. Wie kann in diesem Fall von einer leichten Körperverletzung gesprochen werden? Auf der ganzen Welt gibt es Kriminalität, aber wir sehen hier eine besondere Grausamkeit, und das im 21. Jahrhundert! Deshalb gab es Proteste auch vor den Konsulaten Bulgariens im Ausland – in Griechenland, Frankreich, auf Zypern. Ich glaube nicht, dass es jemanden gibt, in dessen Reisepass Bulgare steht und der mit solchen Gräueltaten und Gewalt gegen Frauen in Verbindung gebracht werden möchte.“
Übersetzung: Georgetta Janewa
Fotos: BTA, BGNES, Maria Bonewa
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