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Bulgarien ohne Bulgaren – ist der demografische Kollaps unumkehrbar?

In 10 Jahren hat Bulgarien 11,5 % seiner Bevölkerung verloren

Foto: BTA

Die letzte Volkszählung in Bulgarien hat die Vertiefung der negativen demografischen Tendenzen der letzten 30 Jahren bestätigt – Verringerung und Alterung der Bevölkerung und Entvölkerung einzelner Gebiete des Landes als Folge von negativem natürlichen Wachstum und Migrationsprozessen.

6,520,314 Einwohner gibt es Angaben des Nationalen Statistischen Instituts in Bulgarien (NSI) zufolge am Stichtag 7. September 2021, davon 52,1 %  Frauen, 47,9 % Männer. Die demografische Alterung setzt sich fort, was sich in einem Anstieg der absoluten Zahl und des relativen Anteils der Bevölkerung ab 65 Jahren äußert, der 23,9 % erreicht. Das sind 5,4 % mehr als 2011 und 9,6 % mehr als 1992. Kinder und Jugendliche bis 17 Jahre machen nur 15,9% der Bevölkerung aus. Die Ergebnisse der letzten Volkszählung von 2021 seien "die katastrophalsten im Vergleich zu allen anderen vorangegangenen Zeiträumen", warnt Walentin Saikow, Vorsitzender des Vereins "Bürgerinitiative Bulgarien 2050", der ein Diskussionsforum mit Experten zum Thema „Ist der demografische Kollaps in Bulgarien unumkehrbar?“ organisiert.

„In 10 Jahren hat Bulgarien 845.000 Personen oder 11,5 % seiner Bevölkerung verloren. Das ist der größte Rückgang in unserer gesamten modernen Geschichte, aber auch der größte Rückgang im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Wenn die bulgarische Gesellschaft keine Maßnahmen zur Bewältigung der demografischen Katastrophe ergreift, wird der Tag kommen, an dem der Staat Bulgarien zwar existieren wird, aber es darin keine Bulgaren geben wird. Wir können nicht länger darauf warten, dass die Politik das Problem der demografischen Krise löst. Es ist an der Zeit, dass die Zivilgesellschaft mit der Arbeit an einer langfristigen Strategie für die Entwicklung des Landes beginnt, die die Demografie an erste Stelle setzt. Diese Strategie sollte mindestens für die nächsten 3 Jahrzehnte sein.“, fordert Saikow.

“Demografen warnen die staatlichen Behörden seit Jahrzehnten vor den sich vertiefenden Trends, aber ohne Erfolg und ihre Stimme blieb ungehört”, so Saikow weiter. „Die vom Verband organisierte Diskussion soll keine konkrete Antwort oder Lösung geben, sondern ein Diskussionsfeld für unsere Zukunft bieten und es ist wichtig, dass alle Stellung beziehen.”

Einer der engagiertesten Wissenschaftler auf diesem Gebiet in Bulgarien ist der Schriftsteller Georgi Bardarow, der auch Dozent an der Fakultät für Geologie und Geografie der Sofioter Universität „Hl. Kliment Ochridski“ ist. Er selbst gibt zu, dass er von "dieser extrem großen Reduzierung" der Bulgaren überrascht war.

„Die Pandemie, während der Bulgarien Rekordsterblichkeitsraten erreichte, spielte hier wahrscheinlich eine große Rolle. Solche Werte werden nur in afrikanischen Ländern und in Gebieten mit größeren militärischen Konflikten beobachtet.“

In den letzten 40 Jahren wird der Bevölkerungsverlust des Landes auf mehr als 2 400 000 Menschen berechnet. Das ist der größte, seit es in unserem Land Volkszählungen gibt - seit dem 1. Januar 1881. Das Beunruhigendste an der Situation, glaubt Dozent Bardarow, sei der Altersindikator. Er vergleicht ihn mit einer sozialen Bombe.

„Wir sind ein Land mit einer der niedrigsten Lebenserwartungen. Egal wie entwickelt eine Gesellschaft ist, wird sie von der aktiven jungen Bevölkerung angetrieben und sie ist hier an einem kritischen Minimum angelangt“, erklärt der Dozent. Neben dem Faktor „Sterblichkeit“ sieht Georgi Bardarow in der Auswanderung junger Menschen den wichtigsten Faktor für die demografische Dynamik Bulgariens. Auch die wirtschaftliche Entwicklung kleinerer Siedlungen erweist sich als Schlüsselmoment für die demografische Revitalisierung unseres Landes.

„Es muss eine gezielte Politik geben, die auf Landes- und Kommunalebene ansetzt. Es gibt viele Faktoren, auf die es ankommt. Bildung ist das Wichtigste, aber es ist nur der erste Schritt", betont Dozent Bardarow.

„Es ist ein Klischee, dass überall dort, wo ein bulgarisches Herz schlägt, Bulgarien ist, aber dieses Klischee ist absolut wahr“, sagte der Schriftsteller. “Die Bulgaren in Europa, wohin ich oft reise, tragen ihre Heimat im Herzen. Sie lieben Bulgarien, gründen auf freiwilliger Basis bulgarische Vereine und empfinden eine sehr aufrichtige Liebe zur Heimat. Ich habe Kinder gesehen, die in einem anderen Land geboren wurden und diese wahre Liebe zu Bulgarien in sich tragen. Diese unsere Mitbürger würden zurückkehren, wenn sie in Bulgarien die Bedingungen verändert vorfinden, von denen sie einst zur Auswanderung getrieben wurden. Sie sehen solche Bedingungen derzeit nicht und kehren daher nicht zurück. Aber sie könnten auch aus der Ferne für Bulgarien arbeiten.”

Die Entvölkerung und Alterung der bulgarischen Bevölkerung stehen auch im Mittelpunkt des bulgarischen Pavillons auf der Architekturbiennale in Venedig, die am 20. Mai beginnt. Das Projekt untersucht eine Reihe von Problemen, die wir lösen müssen, um in die Zukunft blicken zu können", erklärte Boschidara Walkowa vom Team des Architekten Boris Tikwarski, der für das bulgarische Projekt verantwortlich ist.

Übersetzung: Antonia Iliewa

Fotos:BTA, BGNES, BNR





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