In den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts tauchten in Westeuropa zum ersten Mal die so genannten offenen Postkarten auf. Das waren Karten, die keinen Umschlag hatten. Auf der Rückseite gab es einen speziellen Platz für den Text des Absenders und seiner Adresse und für die Adresse des Empfängers. Nach einigem Zögern, weil praktisch jeder das Geschriebene lesen konnte, was der Absender geschrieben hatte, erlangten sie schnell an Popularität und wurden massenweise verschickt. Bulgarien gehörte zu den ersten europäischen Ländern, das die Herstellung und den Versand von Postkarten erlaubt hat. Solche Postkarten wurden sofort nach der Befreiung Bulgariens von der osmanischen Fremdherrschaft 1879 in Umlauf gebracht. Etwas später erschienen auch die Grußkarten zu speziellen Feiertagen. Zum großen Bedauern macht das fehlende Interesse dafür es nahezu unmöglich, sie zu forschen und zu sammeln.
„In Bulgarien haben wir keine einzige staatliche Sammlung. Vielleicht gibt es einige Sammler, die Kollektionen besitzen, aber sie sind unzugänglich“, bedauert Dr. Petar Welitschkow, Literaturhistoriker, Journalist und Dichter, der als erster großartige Beispiele für Oster- und Frühlingskarten aus Bulgarien in einem Buch veröffentlicht hat.
„So wie es überall auf der Welt der Fall war, war der Zweck dieser Postkarten dem Empfänger Freude zu schenken. In der Regel wurde sie danach entsorgt. Aber weil diese Karten für manch einen eine schöne oder sentimentale Erinnerung waren, wurden sie aufbewahrt. So haben einige die Zweit überdauert.“
Die erste bulgarische Osterkarte im Besitz von Petar Welitschkow stammt aus dem Jahr 1898. Es ist eine Farblithographie einer Szene der Auferstehung Christi in einer Reihe von Gemälden. Der Text auf der Vorderseite lautet: „Christus ist auferstanden!“ Gedruckt wurde die Karte in der Stadt Samokow vom Verlag „Gebrüder Lessitschewi“.
In der luxuriösen und bisher vollständigsten Ausgabe "Oster- und Frühlingskarten aus dem Dritten Bulgarischen Reich" (1878-1946) überwiegen die westeuropäischen Beispiele, hauptsächlich aus Deutschland, das in Produktion, Qualität und Vertrieb führend war.
Um das Jahr 1910 begannen bulgarische Buchhändler und Verkäufer illustrierter Osterkarten, Sonderausgaben für Bulgarien mit Inschriften in bulgarischer Sprache zu bestellen. Die Grußkarten aus dieser Zeit sind reliefartig, an den Enden gewellt, bunt, mit charakteristischen Motiven wie Kinder, Osterhasen, rote Eier, Küken, Hühner, Lämmer, Blumensträuße. Religiöse Sujets wie die Kreuzigung und die Auferstehung Jesu Christi kommen hingegen relativ selten vor.
In den 1920er und 30er Jahren wurde in Bulgarien begonnen, Kinderzeitschriften und -bücher herauszugeben, die von bekannten bulgarischen Künstlern wie Wadim Lasarkewitsch, Ilija Beschkow, Georgi Atanassow und anderen illustriert wurden. Es ist dieses Interesse an Kinderillustrationen, das den großen Boom der originalen bulgarischen Oster- und Frühlingsgrußkarten vorausbestimmt hat.
„Gerade wegen diesem „bulgarischen Moment“ in ihrer Geschichte habe ich angefangen, diese Karten zu sammeln“, erzählt Dr. Petar Welitschkow im Interview mit Dessislawa Semkowska von Radio Bulgarien. „Die bulgarischen Künstler bringen viele neue Momente hinein - aus der Folklore, Ethnographie, die Art der Gesichter, die frischeren Farben. Es steckt viel mehr Kunst in diesen Karten und es war daher kein Zufall, dass die bulgarischen Postkarten immer beliebter wurden und den Karten aus Westeuropa den Rang abliefen."
In den Jahren nach 1944 bis zur Wende von 1989, eine Zeit, in der die Religion verboten war und Weihnachten und Ostern unerwünscht waren, wurden diese Karten nur illegal vertrieben. Viele Künstler haben die gleichen Motive bis zu 100-mal von Hand gezeichnet. Die Karten wurden schwarz verkauft oder an Freunde verschenkt.
„Dieser Moment aus der Geschichte der Osterkarte lässt sich kaum wieder herstellen, obwohl viele von ihnen nach 1989 in Antiquariaten angeboten wurden“, sagt Dr. Welitschkow. Er hofft, dass sich eines Tages jüngere Menschen die Zeit nehmen, diese Postkarten in ihrer Vollständigkeit zu betrachten und zu erforschen.
Fotos: Verlag Istok-Sapad
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