Die Wissbegierde sei nur Eitelkeit. Meistens wollen wir etwas nur deshalb wissen, um dieses Wissen demonstrieren zu können, soll der französische Physiker und Philosophen Blaise Pascal aus dem 17. Jahrhundert gesagt haben. Vor dem Hintergrund der sozialen Medien und des enormen Einflusses, den sie auf uns ausüben, gewinnt diese Aussage an Aktualität. So wie die anderen Medien bei ihrem Erscheinen, Kino, Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen, wurden auch die sozialen Netzwerke von der Öffentlichkeit mit großer Begeisterung aufgenommen. Ähnlich wie der Rundfunk, der im Zweiten Weltkrieg als Propagandamittel statt für die Annäherung der Menschen missbraucht wurde, so entwickeln sich auch die sozialen Netzwerke immer mehr zu einem endlosen Propagandafeld und es reicht bei Weitem nicht aus, mit dem Finger auf die Gehirnwäsche zu zeigen. Sie muss mit effektiven Mitteln bekämpft werden, wurde auf einem Forum zum Thema „Desinformation in Südosteuropa“, das in Sofia stattfand, festgestellt.
Der Samen dieses Übels sei bereits in der jüngeren Vergangenheit in der Region gesät worden, erinnerte Georgi Gospodinov, der erste bulgarische Schriftsteller, der für den Booker Prize nominiert wurde.
„Die osteuropäischen Gesellschaften wurden ein halbes Jahrhundert lang mit einer äußerst groben Propaganda beschallt. Einige von uns kennen das sehr wohl, sie sind es gewohnt und angewidert“, sagte der Autor von „Zeitzuflucht“ und stellte die logische Frage, warum wir nicht aus diesem Grund immun gegen falsche Ideologien sind, nachdem wir die Masche der Propaganda kennen.
„Die Propaganda von damals konnte leicht enttarnt werden und war daher nicht effektiv. Sie hat bei den Menschen ein dauerhaftes Misstrauen gegenüber öffentlichen Reden und staatlichen Institutionen hinterlassen. Die kommunistische Propaganda ist gegangen, geblieben ist das Misstrauen. Doch als die Rhetorik des Populismus aufkam und die Sprache sich veränderte, stellte sich heraus, dass wir nicht darauf vorbereitet sind und das hat uns irritiert“, sagte Georgi Gospodinov. "Der Widerstand in uns, von dem angenommen wurde, dass er sich während des Kommunismus stark entwickelt hat, ist plötzlich angesichts der verlockenden Reden über dies und das wie zum Beispiel, dass die Erde eine Scheibe ist und die Menschheit verschwinden werde, weil bald eine Apokalypse bevorstehe, ist zusammengebrochen.“
Die Hinweise, dass ein solches Gerede nicht nur einfach lächerlich, sondern auch durchaus gefährlich sein kann, ließ nicht lange auf sich warten. Einer davon war die Covid-19-Pandemie als wir begriffen haben, dass die Vernebelung der Wahrheit fatale Folgen für das Überleben der Menschen haben kann. Im Februar vergangenen Jahres folgte der Krieg in der Ukraine, dessen Beginn allerdings schon Jahre davor auf dem Feld der Propagandafront vorentschieden war. Leider werde der Propagandakrieg auch lange danach weitergehen, nachdem die Waffen verstummt sind, denn nach den Worten von Gospodinov dauern Propagandakriege immer länger als echte Kriege. Bei ihnen werden weder ein Waffenstillstand unterzeichnet noch die Armeen aufgelöst.
In einer gespaltenen Gesellschaft, deren Spiegel gerade die sozialen Netzwerke sind, stehen die verschiedenen Sichtweisen, die der Analyse eines jeden Ereignisses zugrunde liegen, in ständigem Konflikt und in einem Prozess gegenseitiger Verleugnung. Die Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben es deutlich gemacht und während das Erste zumindest vorerst unter Kontrolle ist, ist der Ausgang des Zweiten immer noch in Nebel gehüllt, angeheizt durch die Mischung aus Realität und Fiktion, die über die Medien an die Öffentlichkeit gelangen. „Früher oder später muss dieser Konflikt beendet werden. Die Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien werden früher oder später beginnen“, sagte die Journalistin und internationale Analystin Sorniza Iliewa.
Ihrer Meinung nach werde es zu einer neuen Konferenz von Jalta kommen, da der Moment eintreten werde, in dem die USA, Russland und China den Beginn von Treffen erzwingen werden, auf denen nach einem Ausweg gesucht werden wird, ist die Journalistin überzeugt. Ob die Ukraine zerfallen werde oder nicht, innerhalb welcher Grenzen sie weiter bestehen werde, wird sowohl vom Ausgang der Kampfhandlungen als auch von den bevorstehenden Verhandlungen abhängen, unterstrich Sorniza Iliewa.
Übersetzung: Georgetta Janewa
Fotos: BTA, BNR, Pixabay
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