Die fünften Parlamentswahlen in Bulgarien für die letzten zwei Jahre sind bereits Geschichte. Das 49. Parlаment wird sich aus sechs politischen Formationen zusammensetzen. Das sind die Koalitionenen GERB-SDS und "Wir setzen die Veränderung fort" - "Demokratisches Bulgarien" und die Parteien DPS, "Wazrazhdane", BSP und "Es gibt ein solches Volk". Jede von ihnen hat einen Teil der Stimmen der im Ausland lebenden Bulgaren gewonnen. Die Soziologin Janiza Petkowa von der Meinungsforschungsagentur Gallup International Balkan kommentierte speziell für Radio Bulgarien, was es damit auf sich hat.
Die Tatsache, dass die Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS) der unangefochtene Gewinner der Stimmen der im Ausland lebenden Bulgaren ist, ist keine so große Überraschung, da es dieses Mal keine neuen Parteien gab, die ihr diese Unterstützung streitig machen konnten. „Es ist oft der Fall, dass die Auslandsbulgaren gerade für neue Formationen stimmen. So war es bei der Teilnahme der Parteien „Es gibt ein solches Volk“ und „Wir setzen die Veränderung fort“ an den Parlamentswahlen“, sagt Janiza Petkowa und erklärt, dass der Stimmenzuwachs von „Wasrazhdane“ ebenfalls nicht überraschen sollte, denn dafür gebe es mehrere Gründe.
„Es sind viele Umstände eingetreten, die es dieser Art von Partei ermöglicht haben, das öffentliche Interesse auf sich zu ziehen wie zum Beispiel die Covid-19-Pandemie und der Krieg in der Ukraine. "Wasrazhdane" konnte eine so genannte Nischenpolitik führen und gegen die systemischen Parteien vorgehen, um so die Proteststimmen auf sich zu ziehen. Diese Partei hat es geschafft, sensible Themen anzusprechen, die für die Öffentlichkeit interessant sind, etwas, was sich die anderen Parteien nicht leisten können, sie in ihre Agenda aufzunehmen. Das Gefühl bei einem großen Teil der Gesellschaft nicht repräsentiert zu sein, sowie die Unmöglichkeit, die politische Krise im Land zu bewältigen, führten zu einer erneuten Enttäuschung und zum Anstieg der politischen Themen, die "Wasrazhdane" in das öffentliche Leben eingeführt hat“, erklärt die Soziologin den Erfolg von „Wasrazhdane“.
Das Team von Radio Bulgarien hat am Wahltag eine Reihe von Interviews mit im Ausland lebenden Bulgaren geführt. Das vereinende Element dieser Äußerungen war der Wunsch nach Stabilität und Kompromissen von den Politikern, um einen Ausweg aus dem politischen Labyrinth zu finden. Das könne nur durch Gespräche und ernsthafte Kompromisse zwischen den parlamentarisch vertretenen Formationen erreicht werden.
Janiza Petkowa lenkt die Aufmerksamkeit insbesondere auf die Wähler, die am Wahltag das Kästchen „Ich unterstütze niemanden“ angekreuzt haben und auf die Frage, was sie damit zum Ausdruck bringen wollen. Auf diese Weise zu wählen, haben sich etwas mehr als 4 % der Stimmberechtigte in Bulgarien entschieden. Ihr Profil zeigt, dass es unter ihnen Einwohner großer Städte gibt, die durchaus am politischen Leben im Land interessiert sind, sich aber mit keiner der politischen Parteien identifizieren.
„Diese Art Abstimmung hat bei den letzten Parlamentswahlen deutlich zugenommen. Es handelt sich um eine strategische Abstimmung. Wenn die Polarisierung in der Gesellschaft sehr stark ist und es zwei Seiten gibt, die sich stark konfrontieren, bleibt ein großer Teil der Gesellschaft irgendwo in der Mitte und will weder das eine noch das andere Extrem vertreten. Das führt zu einem Anstieg der Zahl der Wähler, die das Kästchen „Ich unterstütze niemanden“ ankreuzen. Auf diese Weise drücken diese Wähler ihren Protest und ihr Misstrauen gegenüber den politischen Parteien aus, die nicht in der Lage sind, eine stabile Regierung zu bilden."
Rund ein Viertel der Wähler haben sich in letzter Minute entschieden, welcher Partei sie ihre Stimme geben wollen, zeigt eine Umfrage der Meinungsforschungsagentur Gallup Internationale Balkan. Die Zahl dieser „impulsiven“ Abstimmungen ist respektabel – etwa 600 000. Die Soziologin Janiza Petkowa vermerkt, dass die politischen Parteien sich in ihren Wahlkampagnen in erster Linie auf den Kern ihrer Wählerschaft konzentriert haben. Die Parteien haben es nicht geschafft, sich mit ihren Botschaften an ein breiteres Auditorium zu wenden. Was gefehlt hat, war auch eine Debatte zwischen den einzelnen Parteien, eine inhaltliche Auseinandersetzung zu wichtigen Themen, was sich auch auf die Wahlentscheidung der Bürger ausgewirkt habe.
Übersetzung: Georgetta Janewa
Fotos: BGNES, BTA, Privatarchiv
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