Zwei verschiedene Arbeitsstellen, Haushalt, Ehemann, Kind und Hund – all das muss Nenka Rashkova in ihrem Alltag in Deutschland unter einen Hut bringen. Wie die meisten Auslandsbulgaren entschied sich die junge Familie aus allzu verständlichen Gründen, der Heimat den Rücken zuzukehren:
„Wir haben Bulgarien vor 4 Jahren verlassen, weil wir keine Chancen für uns sahen und wir auf Pump lebten, wie damals jede bulgarische Familie auch. Wir entschieden uns für Deutschland, weil mein Mann dort ein Arbeitsangebot erhalten hatte. Die Schwierigkeiten, mit denen jeder Bulgare im Ausland am Anfang konfrontiert wird, sind die Sprachbarriere, alles erscheint einem fremd, es fehlen die Freunde und Bekannte, und so ist man auf sich selbst angewiesen“, erzählt unsere Gesprächspartnerin.
Die Liebe zwischen Nenka und ihrem Mann Rado entbrannte auf den ersten Blick. Sie ist so stark und wahr, dass das junge Mädchen ihren Job in der IT-Branche in Bulgarien kündigte und sich auf ein ungewöhnliches Abenteuer einließ:
„Er war ein Fernlastfahrer und wir wurden uns bewusst, dass eine Fernbeziehung keinen Bestand hat, also machte ich mich mit ihm auf den Weg. Innerhalb eines Jahres habe ich über 14 Länder bereist, viele interessante Erfahrungen gemacht - sowohl gute als auch schlechte, aber die guten Erinnerungen überwiegen. Und nach diesem einen Jahr haben wir festgestellt, dass wir zu dritt zurückkehren werden.“
In Bulgarien hatte Nenka Rashkova eine sehr gute Bildung genossen. Von Beruf ist sie Buchhalterin und Expertin auf dem Gebiet der „Hydrogeologie und Ingenieurgeologie“. In Mariazell in Baden-Württemberg arbeitet sie jedoch für ein örtliches Catering-Unternehmen und dreimal wöchentlich für eine Reinigungsfirma. „Ich bin zum Putzen nach Deutschland gekommen, aber ich fühle mich großartig“, gibt sie lachend zu.
Hier, weit entfernt von Bulgarien, entdeckt Nany, wie sie sie alle nennen, auch ihr Lieblingshobby aufs Neue - das Herstellen verschiedenartiger Souvenirs und erstaunlicher Bilder aus Fäden.
„Es ergab sich auf interessante Weise“, sagt Nenka Rashkova in einem Gespräch mit Dessislawa Semkowska von Radio Bulgarien. „Ich beschloss, einen Gobelin des heiligen Menas zu nähen, woraufhin mich unsere deutsche Nachbarin sah und fragte, was ich da mache. Nachdem ich es ihr erklärt hatte, bat sie mich, ihr ein Familienportrait zu sticken. Meine Stickerei ist in 3D, sie ist konvex und wirkt ganz anders als gewöhnliche Wandteppiche; mit ihr drücke ich mich selbst aus.“
Nenkas schöne Arbeiten sind mittlerweile in Besitz von Dutzenden von Menschen auf aller Welt; die größte Freue für die geschickte Künstlerin ist die Unterstützung ihrer Familie und die Danksagungen und Fotos, die ihr Kunden zusenden. „Das bringt mir Genugtuung und ist ein Ansporn für mich, mehr Sachen zu machen und sie immer vielfältiger zu gestalten“, sagt sie.
Obwohl Nenka Rashkova fern der Heimat lebt, beobachtet sie die Entwicklung der Lage in unserem Land:
„Was derzeit in Bulgarien passiert, ist in meinen Augen eine Tragödie. Die Bulgaren, die im Ausland leben, sagen häufig, dass uns Bulgarien aus der Heimat vertrieben hat. In Wirklichkeit aber war es nicht Bulgarien, sondern unsere Regierenden haben uns vertrieben. Es tut mir leid um Bulgarien, es ist ein sehr schönes Land, aber für mich persönlich sollten all diese Machthaber das Parlament verlassen und neuen Leuten Platz machen, denen wirklich an der Zukunft der Bulgaren gelegen ist und die nicht einzig an ihren eigenen Vorteil denken.“
Die junge Frau gibt zu, keinen Kontakt zu anderen Bulgaren in Deutschland zu unterhalten.
„Wir haben uns von der Lebensregel „Hüte dich vor den Bulgaren im Ausland“ selbst überzeugen können. Am Anfang, als wir hierherkamen, hatten wir Kontakt zu vielen Bulgaren, aber irgendwie verändert sich unsere Denkweise im Ausland - wir helfen uns nicht mehr gegenseitig, sind nicht gesellig und wenn einer von uns etwas erreicht, versuchen die anderen davon zu profitieren. Es kommt zu Auseinandersetzungen und daher haben wir uns entschieden, uns zu verselbständigen.
Haben Sie Sehnsucht nach Bulgarien?
„Nein!“, sagt entschieden Nenka Rashkova. „So hart es auch klingen mag, ich sehne mich einzig nur nach meinen Verwandten. Jedes Mal, wenn wir in den Sommerferien nach Hause fahren, werden wir enttäuscht. Hier, in Deutschland, sind all unsere Träume wahr geworden und das Heimweh ist verschwunden.“
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: Nany Rashkova
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