Steven Proctor stammt aus Newbourne, einer Kleinstadt im Süden Großbritanniens. Von Beruf ist er Maschinenbauingenieur und wohnt derzeit im Dorf Stoikite im Rhodopengebirge. Der 47-jährige Engländer hat sich vor drei Jahren zusammen mit seiner bulgarischen Frau Wanja hier niedergelassen. Für ihn waren die Rhodopen Liebe auf den ersten Blick. Ohne zu zögern, verkaufte die Familie ihren Besitz in Newborn und kaufte ein wunderschönes Haus in Stoikite.
„Wir sind dem Stress in Großbritannien davongelaufen, das Leben hier ist einfacher, besser“, lacht Steven. Doch anstatt passiv die schöne Natur und die Gastfreundschaft der Menschen in Rhodope zu genießen, krempelte Steve, wie er liebevoll von seinen Mitmenschen genannt wird, die Ärmel hoch und machte sich „zum Wohle der Menschen“ ans Werk. Die Dorfbewohner sind angenehm überrascht von der harten Arbeit und Großzügigkeit des Briten, für den ehrenamtliche Arbeit eine Lebenseinstellung ist.
Ende Januar hat Steve den Skilift im Zentrum von Stoikite mit eigenen Mitteln und ehrenamtlicher Arbeit instandgesetzt, nachdem die Anlage 10 Jahre lang nicht in Betrieb war. Jetzt kann jeder Dorfbewohner die kleine Skipiste für Kinder und Anfänger völlig kostenlos nutzen. Touristen bezahlen den symbolischen Preis von 2,50 Euro, damit geradeso die Stromkosten gedeckt werden.
„Eines Abends, als wir im Restaurant saßen, kam das Gespräch auf diesen Lift. Ich hatte bis dahin nicht einmal geahnt, dass es so etwas gibt. So habe ich mir die Anlage angesehen und recherchiert, wer der Besitzer ist, wann sie zuletzt in Betrieb war und ob er gedenkt, sie wieder in Betrieb zu nehmen“, erzählt Steve. "Im letzten Sommer haben wir mit einem Engländer aus dem Dorf angefangen, einige Dinge zu reparieren, ein Elektriker aus der Gegend hat uns bei der Elektrik geholfen. Das meiste haben aber meine Frau und ich gemacht."
Für Steve ist das kleine Dorf in den Rhodopen ein Paradies auf Erden. Hier gibt es, seiner Meinung nach, alles, was man braucht. Die Menschen sind herzlich, und im Vergleich zu den großen Skigebieten ist es hier viel billiger.
Der Brite hat sich aber nicht nur mit dem Skilift zufriedengegeben. Einen Beitrag hat er auch für die Gründung des Dudelsackmuseums im Dorf geleistet und hilft derzeit bei der Restaurierung der einstigen Zellenschule, die in ein Art Center umgewandelt werden soll.
„Wir haben mehrere Projekte, eins davon ist die Umwandlung der alten Zellenschule in ein Kunstatelier für die Kinder aus dem Dorf, aber auch für Touristen, die hierherkommen. Darin sollen sie sich mit angewandter Kunst und Handwerk befassen. Unser Anliegen ist, vor allem die Dorfkinder für Kunst zu begeistern. Die Besucher des Ateliers werden zeichnen, stricken, Dudelsack spielen und die alten Handwerke und Bräuche kennenlernen“, erzählt der Brite begeistert.
„Steve beteiligt sich an der Renovierung des Gebäudes. Wir wollen, dass alles im Inneren so erhalten bleibt, wie es vor Jahren ausgesehen hat“, erklärt Wanja Proctor und fügt hinzu, dass das Dorf Stoikite für ihre Familie ein Synonym für Frieden und Freiheit ist. „Wir sind hierher gezogen und Steve hat angefangen, aktiv dabei zu helfen, das Dorf wiederzubeleben. Er räumt im Winter die Straßen vom Schnee mit einer Vorrichtung, die wir aus England mitgebracht haben. Sie wird am Auto angehängt. Nachdem der Bagger durchgefahren ist, fährt er hinterher, um die Straße zu glätten. Im Sommer fegt er ständig die Straßen und entsorgt den Müll der Leute an den dafür vorgesehenen Plätzen. Dafür benutzt er unseren Kleinbus. Er hilft den älteren Menschen, ihre Gärten zu pflegen. Rund um das Dorf haben wir Dutzende Kapellen und Steve hält sie alle instand, mäht den Rasen…“, lobt Wanja ihren Mann und fügt hinzu, dass sie sich wünschen, dass Stoikite ein vorbildliches Dorf wird, denn genau das war ihre Idee, als sie Ende 2019 hierhergezogen sind. „Wir wollen, dass über dieses Dorf gesprochen wird, denn es ist ein Diamant inmitten der Rhodopen“, sagt Wanja Proctor abschließend.
Übersetzung: Georgetta Janewa
Fotos: Steven und Wanja Proctor
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