Die Ballettinszenierung „Anna Karenina“ des überaus erfolgreichen kroatischen Choreographen Leo Mujić, ging im vergangenen Sommer wie ein Meteorit durch den bulgarischen Kulturraum. Das Ballett nach der Musik von Peter Tschaikowski und der Handlung des gleichnamigen Romans von Leo Tolstoi wurde zum ersten Mal in unserem Land mit der Oper Plowdiw inszeniert und beim Festival „Opera Open 2022“ im Antiken Theater der Stadt präsentiert. Gaststars waren die Solotänzer der Sofioter Oper, Marta Petkova und Nikola Hadjitanev. Im Dezember wurde die Inszenierung auch in der Hauptstadt aufgeführt, wobei Leo Mujić eingeladen wurde, die Umsetzung seines Werks auf der Bühne des Sofioter Opern- und Balletttheaters zu leiten. Es folgen nun sechs Neuaufführungen, die erste am 27. Januar, gefolgt vom 28. und 29. Januar sowie am 2., 3. und 4. Februar.
Das Publikum in Sofia wird in den Genuss einer neuen Version von „Anna Karenina“ kommen – mit Änderungen in der Choreographie und einem neuen Bühnenbild, erklärte Leo Mujić. Diese Inszenierung wird ganz anders ausfallen, versprach der Choreograph.
„Wir müssen den Menschen das bestmögliche Produkt anbieten“, sagte der Choreograph gegenüber Radio Bulgarien. „Weil die Besucher das Beste verdienen, zumal sie für die Eintrittskarten tiefer in ihre Taschen greifen müssen - Ballettproduktionen sind extrem teuer.“
Leo Mujić hat einen eigenen Arbeitsstil und schreckt nicht davor zurück, seine Choreographien je nach Zusammensetzung und Qualität der Truppe, mit der er arbeitet, zu ändert: „Ich bin ein relativ junger Choreograph und überlege immer, welche Künstler ich zur Verfügung habe. Je nach Niveau der Truppe kann ich auf die eine oder andere Weise arbeiten“, sagt Leo Mujić. „Ich versuche, unter den gegebenen Umständen die beste Version zu präsentieren. Das Niveau der Balletttruppe des Sofioter Opern- und Balletttheaters ist höher als das des Plowdiwer Balletts; die Truppe ist größer und verfügt zudem über ausgezeichnete Solisten – nicht einzig Marta Petkova. Also habe ich eine neue, technisch schwierigere Choreographie von „Anna Karenina“ gestaltet. Ich arbeite mit den Leuten, die mir zur Verfügung stehen und klone meine Choreographien nicht“, betonte Mujić, der u.a. auch darauf hinwies, dass es in seinen Inszenierungen keine „unwesentlichen Nebenrollen“ gibt. Es gibt keine unbedeutenden Rollen, sondern nur unbedeutende Künstler, brachte es der Choreograph auf den Punkt.
Die Rollen von Anna Karenina und ihres Liebhabers Graf Alexej Wronskij wurden der Primaballerina Marta Petkova (Zweitbesetzung Katerina Petrova) und dem erstklassigen Solisten Nikola Hadjitanev (Tsetso Ivanov) anvertraut. In der Aufführung werden die Violine von Stoimen Peev vom „Sofia Quartett“, die Stimmen von Alexandrina Stoyanova-Andreeva und Violetta Radomirska sowie das Orchester der Sofioter Opern- und Balletttheaters unter der Leitung von Andrei Galanov zu hören sein.
Bei seinen Ballett-Inszenierungen wählt Leo Mujić meist selbst die literarische Vorlage und die Musik aus. „Eine erfolgreiche Produktion ist eine Kombination aus beidem – Musik und Handlung. In diesem Fall fühle ich mich außerordentlich geehrt, die dritte Person in dieser unglaublichen Zusammenarbeit zwischen Tolstoi und Tschaikowski zu sein; natürlich wissen sie nicht, dass sie zusammenarbeiten und wir sie zusammengebracht haben. Es ist eine große Ehre für mich, dass mein unbedeutender Name neben ihren steht“, erklärt der Choreograph bescheiden. „Für „Anna Karenina“ habe ich mich bewusst für Nicht-Ballettmusik des Komponisten entschieden.“
„Die Bearbeitung der Musik ist ungewöhnlich“, kommentierte seinerseits der Dirigent Andrei Galanov die Musikauswahl für die Ballettinszenierung „Anna Karenina“. „Er kombiniert verschiedene Stilrichtungen – Romanze, Violinkonzert, Sinfonie und Programmsymphonie „Manfred“. Ich akzeptiere diese Zusammenstellung; sie gefällt mir. Manche mögen sie für umstritten halten, was verständlich ist. Im Theater sollte es Kontroversen geben. Ich persönlich begrüße die Kombination.“
Die Bühnenbildnerin des Balletts, die Kroatin Cvijeta Schwin, macht ihrerseits auf etwas Anderes aufmerksam: „Vielleicht ist es angebracht, sich der Epoche zu besinnen, in der „Anna Karenina“ geschrieben wurde, nämlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die eine Zeit großer Veränderungen war“.
Die künstlerische Leiterin der Balletttruppe des Sofioter Opern- und Balletttheaters, Marta Petkova, glaubt, dass die Neuinszenierung nicht nur eine großartige Ergänzung des Repertoires, sondern auch auf andere Weise wertvoll für die Truppe sei:
„Für mich war es wichtig, dass die Truppe mit einer Person wie Leo Mujić zusammenarbeitet. Ich war berauscht und fassungslos, als ich ihn zum ersten Mal traf. Überall auf der Welt habe ich bereits gearbeitet, in vielen renommierten Theatern, doch einen solchen Arbeitsstil hatte ich bislang noch nicht gesehen. Die Truppe mag ihm über alles. Er ist ausgesprochen geduldig und arbeitet auch ganz individuell mit jedem Künstler. Er verlässt nicht den Saal von 11 Uhr morgens bis 8 Uhr abends. Ich weiß nicht, wie man zu solch einer intensiven Arbeit fähig sein kann. Daher war es für mich ein sehr erfolgreicher Schritt, die Truppe mit ihn zu treffen, so dass auch die Qualität ihrer Arbeit verbessert werden konnte“, versichert Marta Petkova.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: Facebook/SofiaNationalOpera, Facebook/Андрей Галанов, Staatsoper Plowdiw
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