Bulgariens einziges ethnographisches Freilichtmuseum „Etara“ in der Nähe der Stadt Gabroвo sorgt für unvergessliche Erlebnisse. So zum Beispiel kann man seit 2017 die dortige „Schule für Weihnachtssänger“ besuchen. Die vor 5 Jahren ins Leben gerufene Initiative ist eine Art „Gegenstück“ zur bereits etablierten „Schule für Lazarus-Mädchen“ und führt junge Menschen an die alten bulgarischen Traditionen rund um Weihnachten heran.
„Die Lazarus-Bräuche stellten Einweihungsrituale für Mädchen dar, während die Weihnachtssänger nur aus Knaben bestehen, die entsprechend in diese Rituale eingeweiht wurden“, erklärt uns Violeta Janewa, Koordinatorin von Veranstaltungen des Freilichtmuseums. „Die Weihnachtslieder und Weihnachtswünsche werden laut den bulgarischen Folkloretradition ausschließlich von angehenden jungen Männern dargebracht. Daher gibt unser Team männlichen Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren die Möglichkeit, sich mit diesem Festritual und einigen Details der Symbolik des Brauchs selbst vertraut zu machen.“
Traditionell versammelten sich die Gruppen der Weihnachtssänger am Ignatius-Tag im Haus ihres jeweiligen Anführers und begannen unter seinen Anweisungen die entsprechenden Weihnachtsgesänge und Sprüche zu lernen. Die Vorbereitungen in der „Schule für Weihnachtssänger“ beginnen etwas früher, damit die Jugendlichen Zeit haben, sich in dieses alte Brauchtum einzuleben.
„Die gesamte Sängergruppe wird „Kol“ (zu Deutsch „Pfahl“) genannt, und die Weihnachtssänger selbst „Kolowe“ (zu Deutsch „Pfähle“). Jeder neue Weihnachtssänger muss ohne fremde Hilfe seinen eigenen Krummstab (Pfahl) herstellen, was zum Einweihungsritual gehört. Normalerweise geschieht das in der Zeit zwischen dem Ignatius-Tag und Heiligabend. Nach altem Brauch werden alle Krummstäbe im Haus des Anführers aufbewahrt und für nichts anderes verwendet, als für den Umzug der Weihnachtssänger“, sagt Violeta Janewa.
Die Weihnachtssängergruppe besteht aus einer ungeraden Anzahl von Mitgliedern und ihre Rollen im Brauch sind genau festgelegt. Die Weihnachtssänger stellen sich nach Alter auf, wobei diejenigen, die zum ersten Mal mit dabei sind, ganz hinten stehen.
„Laut den Vorstellungen unserer Vorfahren, musste jeder Junggeselle mindestens einmal in einer Weihnachtssängergruppe mit dabei gewesen sein, sonst galt er nicht als „heiratsfähig“ und die Mädchen brachten ihm Missachtung entgegen. Andererseits konnten Männer nach der Heirat keine Weihnachtssänger mehr werden. Eine Ausnahme bildete einzig der Anführer der Gruppe, der in den meisten Fällen verheiratet war. An ihm wurde dann jedoch die Bedingung gestellt: er musste mindestens ein Kind haben. Eine weitere Besonderheit bei diesem Bauch war, dass wenn im Haus, das die Weihnachtssänger besuchen, ein Mädchen lebt, deren Freund unter den Weihnachtssängern ist, es speziell für ihn einen Sesamring backen und ihn als Kranz auf seinen Weihnachtssängerhut setzen musste.“ Diese Einzelheit gehört mit zu den Dingen, die die Teilnehmer an der „Schule für Weihnachtssänger“ lernen, versichert uns Violeta Janewa.
Zu den wichtigsten Bräuchen zu Weihnachten gehörte der Umzug der Weihnachtssänger, die jedes Haus im Dorf besuchen mussten. Man glaubte, dass es im kommenden Jahr eine schlechte Ernte geben werde, sollten keine Weihnachtssänger den jeweiligen Hof besuchen. Daher wartete man ungeduldig auf ihr Erscheinen und freute sich über ihren Besuch. Entsprechend wurden sie empfangen und beschenkt. So wurden die speziell für sie zubereiteten Brezel (Sesamringe) auf ihren Krummstäben aufgefädelt.
„Man war der Überzeugung, dass die Weihnachtssänger Fruchtbarkeit und Wohlstand bescheren. Mit ihren Liedern und Sprüchen segneten sie Haus und Hof, seine Bewohner und das Vieh“, erzählte uns weiter unsere Gesprächspartnerin. „Mit ihren magischen Ritualen „befruchteten“ die Weihnachtssänger symbolisch den Boden, so dass er eine bessere Ernte hervorbrachte und sich das Vieh mehrte.“
Die Weihnachtssänger singen ein spezielles Weihnachtslied für jedes Familienmitglied, wobei ihr Anführer entschied, welches Lied gesungen werden soll. Die Umzüge der Weihnachtssänger endeten am 7. Januar mit einer Festtafel im Haus ihres Anführers. Dabei kamen all die Gaben auf den Tisch, die sie von den Bauern erhalten hatten.
Der Brauch des Umzugs der Weihnachtssänger soll am 26. Dezember im ethnographischen Freilichtmuseum „Etara“ nachgestellt werden, und zwar zwei Mal: um 11.30 Uhr und um 13.30 Uhr OEZ. Zugegen werden auch die Absolventinnen der „Schule für Lazarus-Mädchen“ sein.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos und Videos: Ethnographisches Freilichtmuseum „Etara“
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