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Soziologe Parwan Simeonow: Volk will nicht wählen, Politiker wollen nicht regieren

Auslandsbulgaren stimmen für Veränderungen im Land

Parwan Simeonow
Foto: BGNES-Archiv

Die Auslandsbulgaren votierten weiterhin wütend und aufgebracht; ihre Botschaft bleibt „Verändert Bulgarien!“, konstatiert der Soziologe Parwan Simeonow von der Agentur Gallup International in seinem Kommentar zu den Wählerhaltungen im Ausland. Im Gegensatz zu vorangegangenen Wahlen fehle der politischen Szene ein neues Großprojekt, das die Wähler zu fesseln vermag, wie es die Partei des Showmasters Slawi Trifonow getan hatte. Aber die Hoffnung auf etwas Neues und Anderes ist im Bewusstsein der Wähler im Ausland noch nicht ganz verblasst und das ist nicht verwunderlich:

„Um sich für ein Leben im Ausland zu entscheiden, sahen die Menschen dort mehr Möglichkeiten für sich und ihre Familien als im eigenen Land. Das gute Abschneiden der Formation „Wir setzen die Veränderung fort“, die für etliche Wähler im In- und Ausland immer noch neu erscheint, ist ein weiterer Beweis in diese Richtung.“

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Einen Funken Optimismus erkennt Parwan Simeonow auch in Bezug auf die Möglichkeit einer allmählichen Rückkehr des bipolaren Modells in die heimische Politik aufgrund des Generationenwechsels.

„Wir haben die Chance, eine relativ übersichtliche politische Landkarte des Landes zu erreichen, in der GERB auf der einen Seite als Mitte-Rechts-Partei steht, und auf der anderen „Wir setzen die Veränderung fort“ als Mitte-Links-Partei. „Demokratisches Bulgarien“ und die „Bulgarische Sozialistische Partei“ könnten die Flügel rechts und links bilden. Das ist vielleicht ein optimistisches Szenario für das Land, aber darüber hinaus sehe ich speziell hier und jetzt keine anderen“, prognostizierte Parwan Simeonow und fügte hinzu:

„Im Unterschied zu heute, in der wir uns in einer Sackgasse befinden, lag früher in ähnlichen Fällen in Bulgarien ein klares öffentliches Anliegen vor, nämlich das Modell zu verändern. Diesmal befindet sich jedoch nicht die „Veränderung des Status quo“ im Vordergrund, sondern Krieg, hohe Preise usw., sodass unklar ist, welche Art von staatlicher Leitung die Wähler im Sinn haben. Andererseits sehen wir, dass die Politiker angesichts der momentanen Lage nicht darauf erpicht sind, zu regieren. Somit haben wir einen zweifachen Rückzug - das Volk will nicht wählen und die Politiker wollen nicht regieren.“

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Die landesweite Volkszählung in Bulgarien erfordert die Neuzeichnung der politischen Landkarte Bulgariens

Parwan Simeonow kommentierte gegenüber Radio Bulgarien die Änderungen, die sich aus den veröffentlichten Daten zur Volkszählung des Nationalen Statistikamts aus dem Jahre 2021 ergeben. Ihnen zufolge leben in unserem Land etwas mehr als 6,5 Millionen Menschen, und in einigen Regionen Bulgariens wird eine ernsthafte Entvölkerung beobachtet.

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Das größte Problem seien nicht so sehr die Wählerlisten mit darin enthaltenen „Geisterwählern“, sondern die mangelnde Balance im Gewicht der Stimmen für die Volksvertreter in den einzelnen Wahlkreisen des Landes, so der Soziologe und weiter:

„Es stellte sich heraus, dass Sofia laut der neuesten Volkszählung ein größeres Gewicht besitzt, was bedeutet, dass zu den bestehenden Mandaten weitere hinzugefügt werden müssen. Das wird jedoch Probleme gererieren, weil die Wähler in Sofia anders wählen, als die den übrigen Landesteilen. In der Hauptstadt entsteht eine andere eigene Tagesordnung, gebildet von einer pro-westlichen, jüngeren und liberaleren Generation. Wenn also Sofia mehr ins Gewicht fällt, wird das die gesamte Wahlkarte Bulgariens verändern. Diese Karte muss jedoch die Realität widerspiegeln, damit eine Stimme überall das gleiche Gewicht hat.“

Es ist jedoch kaum anzunehmen, dass die neue Volksversammlung in der Lage sein wird, sich mit der Neugestaltung der Wahlkarte des Landes zu befassen.

„Die großen Kluften, die sich zwischen den Parteien aufgetan haben, hindern sie daran, irgendeinen Konsens zu erzielen. Wie sollten sie da die Wahlkarte umgestalten, wenn doch jeder beginnen wird, seinen eigenen Interessen zu folgen?“, fragt rhetorisch Parwan Simeonow. „Ich habe das Gefühl, dass mit dem Rückgang der Wahlbeteiligung und dem „Einschrumpfen“ der Politik in Bulgarien die Chancen für so etwas immer mehr abnehmen“, schlussfolgert der Soziologe.

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow

Fotos: BGNES





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