Eine Gruppe von Wissenschaftlern begab sich auf den Spuren bulgarischer historischer Stätten, um das nationale Kulturgebiet jenseits der Landesgrenzen zu skizzieren. Dieser geistige Raum voller Denkmäler, Militärfriedhöfe, Festungen, Kirchen und Klöster zeugt vom reichen Erbe, das die Bulgaren im Mittelalter, während der osmanischen Fremdherrschaft und der Periode des Erwachens der Nation (bezeichnet als Wiedergeburtszeit) hinterlassen haben.
Sechs der zehn Länder, die die Wissenschaftler des Instituts für Ethnologie und Volkskunde der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften besuchen, liegen auf dem Balkan – eine Region wechselhafter Geschichte und entsprechend dynamischer Grenzen.
„In Bulgarien sagen wir scherzweise, dass auf dem Balkan jedes Land an sich selbst grenzt“, erzählt Chefassistentin Lina Gergowa. „Wir haben Orte in den Grenzgebieten Bulgariens besucht, die historisch gesehen als ursprünglich bulgarisch gelten. Sie gehörten dem mittelalterlichen Großreich der Bulgaren an und in der Neuzeit dem bulgarischen Staat in den Grenzen des Vorfriedens von San Stefano. Heute gehören sie zu den Nachbarländern. In der Türkei konzentrieren sich diese Orte ausschließlich auf Edirne sowie einige Stätten in Istanbul, die mit der bulgarischen Geschichte in direktem Zusammenhang stehen. In Griechenland sind viele Stätten im ägäischen Teil Mazedoniens, mit den Bulgaren in Südthrakien und den Anführern der bulgarischen revolutionären Kämpfe verbunden, wie der Woiwode Petko und Gotze Deltschew. In Bezug auf Nordmazedonien sprechen wir nicht von einzelnen Stätten der bulgarischen Geschichte, da dort alle Orte als bulgarisch angesehen werden. In Serbien seien die sogenannten Westlichen Randgebiete und die Militärdenkmäler in Belgrad genannt, ferner die Erste Bulgarische Legion und die Erinnerung an Lewski und Rakowski. In Rumänien gibt es viele Schichten – wir haben bulgarische Gemeinschaften in verschiedenen Teilen des Landes, die weitgehend mit unserer nationalen Befreiungsbewegung im Zusammenhang stehen.“
In Italien, Russland, Ungarn und Tschechien beziehen sich die Stätten eher auf den zivilisatorischen Beitrag der Bulgaren. Lina Gergowa nennt als Beispiel zwei der „vermeintlichen bulgarischen Schwesterstaaten“ (wie sie sie nennt) – Wolga-Bulgarien auf dem Gebiet des heutigen Tatarstan in der Russischen Föderation und das Alzek-Bulgarien in der Region der italienischen Stadt Neapel. In der Ortschaft Celle di Bulgheria steht ein Denkmal für Khan Alzek, den Bruder des bulgarischen Staatsgründers auf dem Balkan Khan Asparuch. Jährlich fahren viele Bulgaren dorthin - eine Art Wallfahrt zu einem Ort, der von unseren Vorfahren gegründet worden ist.
Im bulgarischen Kulturraum sind die Spuren vieler Intellektueller, Künstler, Wissenschaftler und Sportler allgegenwärtig, die unser Land in der ganzen Welt berühmt gemacht haben.
„Nationalschriftteller Iwan Wasow, repräsentiert als Symbol der bulgarischen Literatur unser Land in der Allee der Schriftsteller in Zagreb“, erzählt weiter Lina Gergowa. „Ein Denkmal von ihm wurde auch auf dem Thorvaldsen-Platz in Rom neben denen anderer Dichter und Schriftsteller aufgestellt.
Eines der am wenigsten bekannten Denkmäler befindet sich in der ungarischen Stadt Kiskőrös. Dort steht das Hausmuseum von Sándor Petőfi und Iwan Wasow; zusammen mit Atanas Daltschew gilt er als Übersetzer des Dichters. Weitere berühmte Persönlichkeiten sind der Dichter Pentscho Slawejkow und der Bildhauer Assen Pejkow sowie verschiedene Opernsänger, die mit Italien in engem Zusammenhang gebracht werden.
In der rumänischen Stadt Dudeştii Vechi (Altbeschenowa) im Banat steht ein Stadion, das nach Christo Stoitschkow benannt ist. Wir müssen also auch den bulgarischen Sportlern Anerkennung zollen.“
Und da die mit Bulgarien verbundenen Stätten und Denkmäler der Fachwelt schon lange bekannt sind, besteht das Ziel der Wissenschaftler nun darin, vor allem die weniger bekannten zu popularisieren.
„Zum Beispiel das Militärdenkmal in der Nähe des rumänischen Dorfes Turcoaia, das drei bulgarischen Offizieren gewidmet ist, die im Ersten Weltkrieg gefallen sind“, setzt die Wissenschaftlerin fort. „Es liegt zwischen Steinbrüchen in einem Maisfeld und wird überhaupt nicht besucht. Es ist aber in gutem Zustand und sehr schön.
Wenig bekannt ist auch das Grab von Zar Samuil auf der Insel Agios Achillios in der gleichnamigen Basilika. Leider kann die Grabstätte wegen politischer Probleme zwischen Bulgarien und Mazedonien nur schwer besucht werden, obwohl sie sich auf dem Territorium Griechenlands befindet. Dort steht kein spezielles Hinweisschild oder Denkmal, man weiß einfach, dass es dort ist.“
Laut Lina Gergowa können die Objekte im bulgarischen Kulturraum aus der Ferne nur schwer unterhalten werden. Und dennoch wurde ihren Worten nach die Pflege nach 1989 intensiviert. So wurden bereits die Soldatenfriedhöfe in Bukarest, Belgrad, Wien und Budapest restauriert und die Denkmäler saniert. Interesse an der Erhaltung von Gedenkstätten besteht nicht nur auf staatlicher Seite, sondern auch auf Seiten von Nichtregierungsorganisationen, Parteien und bulgarischen Gemeinschaften im Ausland.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: Diana Zankowa
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