Das traditionelle bulgarische Handwerk wird seit Jahrhunderten vom Vater an den Sohn, vom Meister an den Gesellen weitergegeben. Die Werke, die aus den geschickten Händen derer hervorgegangen sind, die sich dem Handwerk verschrieben haben, überraschen immer wieder mit ihrer Langlebigkeit und die in ihnen eingehauchte Seele. Bedauerlicherweise ist in unseren Tagen die Kontinuität verloren gegangen. Viele Handwerke sterben mit dem letzten Handwerker im Dorf oder in der Stadt aus.
„Die Menschen haben das Handwerk aufgegeben. Sie sind voll und ganz damit beschäftigt, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, um überleben zu können“, bedauert Mitko Mladenow, Vorsitzender der Regionalen Handwerkskammer in Widin. Ihm zufolge liegen einige Handwerke im Nordwesten in den letzten Atemzügen, von Gott und allen Institutionen verlassen und vergessen.
„Wir versuchen etwas zu unternehmen, geraten aber in eine Sackgasse“, gibt er zu. In der Organisation, deren Vorsitzender er ist, gibt es 700 Mitglieder, doch die aktiven unter ihnen sind 37 oder 38, die anderen haben nicht mal das Geld für den Mitgliedsbeitrag.
"Etwa die Hälfte der Handwerke kann nicht durch moderne Technologien ersetzt werden, denn bei der Handarbeit gibt man seinem Produkt Herz und Seele“, sagte Mitko Mladenow in einem Interview für BNR-Widin.
Die für die Region typischen Handwerke wie Töpfern und Schnitzen gehen zunehmend verloren, weil die Menschen kein Geld haben, um echte Handwerkserzeugnisse zu kaufen. Sollten die letzten Hüter der Tradition nicht unterstützt werden, wird von diesem kulturellen Erbe bald nur noch in der Vergangenheitsform gesprochen werden. Vom Staat spricht Mitko Mladenow mit Bitterkeit wie über eine böse Stiefmutter. Die Handwerker werden nicht nur nicht unterstützt, von ihnen wird ständig etwas Neues gefordert wie diverse Gebühren und sogar Kassenapparate.
„Wie soll ich als Handwerker mit einem Kassenapparat existieren? Die Kasse muss bedient werden. Es muss auch einen Buchhalter geben. Das hindert mich an meiner Arbeit“, sagt Mitko Mladenow mit Bitterkeit in der Stimme.
Um die Bäckereien ist es nicht viel anders bestellt, erzählt der Bäckermeister Stiljan Kamenow, Vorsitzender der Regionalen Handwerkskammer in Montana.
"Dieses Handwerk wird zunehmend industrialisiert und das traditionelle Brotkneten von Hand gibt es fast nicht mehr“, sagt Stiljan Kamenow und fügt hinzu, dass es in Montana nur zwei Bäckereien gibt, die Brot nach traditionellen Rezepten mit Sauerteig vom Vortag backen. Man erkennt sie daran, dass es vor den Läden immer Warteschlangen gibt, denn dort wird echtes Qualitätsbrot hergestellt.
„Derzeit ist es schwer für sie zu überleben. Sie sind sehr stark von der Energiekrise betroffen. Alle Preise schießen nach oben. Der Brotpreis wird von den großen Brotproduzenten diktiert.“
Stiljan Kamenow erzählt weiter, dass viele Menschen in Montana ihr traditionelles Handwerk aufgegeben haben. In der Stadt sind nur noch ein Schuhmacher und zwei Uhrmacher geblieben. Dafür gibt es Kontinuität bei der Weitergabe der traditionellen Herstellung von Boza, einem Getränkt aus Hirse. Interesse gebe es auch für die kleinen Nähstuben, wo Kleidung ausgebessert wird, aber auch nach eigenen Modellen geschneidert wird.
Der Töpfermeister Kuman Zhekow aus Wraza hingegen beobachtet, dass in seiner Heimatregion zunehmend eine Nachfrage nach alten Handwerken und authentischen, von Hand gemachten Erzeugnissen besteht. Er selbst befasst sich mit Sgraffito, antiker und Haushaltskeramik. Das Handwerk hat er an seine Tochter weitergegeben und bereits mehrere selbstständige Handwerker ausgebildet. Deshalb gibt er entgegen der weit verbreiteten landläufigen Meinung in Bulgarien, dass das Handwerk „gestohlen“ werden sollte, seinen Kollegen den wertvollen Ratschlag, es ihren Lehrlingen zu schenken. Sie sollten all ihr Wissen und Können weitergeben, damit die nächste Generation darauf aufbauen kann.
„Die Handwerker sollen ihr Wissen nicht hüten, sondern es an den jungen Menschen weitergeben!“, appelliert Kuman Zhekow und fügt hinzu, dass die Lehrlinge ohnehin Schwierigkeiten durchmachen und, um echte Meister zu werden und irgendwann von ihrem Handwerk leben können, Entbehrungen hinnehmen müssen. Deshalb sei es wichtig, dass der Staat ihnen unter die Arme greift. Er habe von Handwerkskollegen im Ausland gehört, dass der Staat dort die Erhaltung der alten Handwerkskünste unterstützt. Er wünscht sich, dass auch die künftigen bulgarischen Regierungen daran denken mögen, diesen kulturellen Reichtum für die künftigen Generationen zu bewahren.
Redaktion: Diana Zankowa nach einem Interview von Plamen Kozew, BNR-Widin
Übersetzung: Georgetta Janewa
Fotos: BGNES, Facebook / @kalibagrii, BNR-Widin, Archiv
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