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Die aktuelle Herausforderung lautet: Wirtschaftswachstum trotz politischer Turbulenzen

Die politische Krise kostet uns nahezu eine Halbe Milliarde Euro

Foto: Archiv

Die kurzfristigen Kosten aufgrund der Absetzung der Regierung belaufen sich laut Latschesar Bogdanow, Chefökonom des Instituts für Marktwirtschaft, auf 900 Mio. Lewa (ca. 459 Mio. Euro). Sollte sich die politische Krise aber verschärfen, könnte sie uns mittel- und langfristig noch teurer zu stehen kommen und uns zum Beispiel den Weg in die Eurozone versperren und die Vorhersehbarkeit des gesamten Steuermodells untergraben.

Vor dem Hintergrund von Krieg, wachsender Inflation, galoppierenden  Rohstoffpreisen und möglicher Energieknappheit stehen unserem Land weitere vorgezogene Wahlen bevor oder eine neue Regierung, die buchstäblich am seidenen Faden hängt. „Die Parteien scheinen sich weiterhin in kleinlichen politischen Streitereien zu verstricken, anstatt einen Ausweg aus der Situation zu weisen“, sagte in einem Interview für den BNR-Widin Prof. Willi Lilkow, ein Politiker mit Erfahrungen sowohl im Parlament als auch in der Stadtverwaltung von Sofia. Er bezeichnete die derzeitige politische Situation in Bulgarien als „zu kompliziert“.

Prof. Willi Lilkow

„Vor zwei Jahren begann eine starke Bewegung, um das politische Modell zu ändern, den Parlamentarismus zurückzubringen, die Korrupten von der Macht zu beseitigen“, fügt er hinzu. „Gleichzeitig wurden neue politische Projekte ins Leben gerufen, die den  Anspruch hatten, Träger von etwas Neuem zu sein. Heute befinden wir uns jedoch nicht nur in einer schwierigen innenpolitischen Lage, sondern durch den Krieg in der Ukraine auch in einer neuen geopolitischen Lage. Darüber hinaus haben wir wirtschaftliche Probleme im Zusammenhang mit den Energieressourcen, auch wenn die Wirtschaft insgesamt weiterhin gut läuft.“

Wenn es keine stabile parlamentarische Mehrheit gibt, die weiß, welche zusätzlichen Ausgaben sie sich leisten kann, führt das zu einer unkontrollierten Mittelvergabe durch sogenannte thematische Mehrheiten, sagte Latschesar Bogdanow vom Institut für Marktwirtschaft. Als Beispiel nannte er die jüngste Aktualisierung des Staatshaushalts und die Aufstockung der Mittel für Gehälter in einigen Bereichen, für die Ausstattung von Krankenhäusern und für die Gemeinden. „Wenn die Regierung es sich leisten kann, eine Milliarde für verschiedene Maßnahmen außerhalb des bereits festgelegten Budgets auszugeben, ob das wohl die gescheitesten Maßnahmen sind, die die beste Wirkung erzielen?“, fragt der Wirtschaftswissenschaftler. Ausgehend von der politischen Konjunktur warnt er, dass ein Risiko für die finanzielle Stabilität unseres Landes besteht.

Latschesar Bogdanow

„Die größte Herausforderung im Moment besteht darin, das Wirtschaftswachstum fortzusetzen“, meint Latschesar Bogdanow. „Wenn wir wettbewerbsfähige Unternehmen, hohe Beschäftigung und niedrige Arbeitslosigkeit sowie neue und wachsende Investitionen haben, wird der Privatsektor auch die Löhne anheben. Und selbst bei Inflation wird die Kaufkraft für einen großen Teil der Haushalte erhalten bleiben. Eine funktionierende Wirtschaft bedeutet auch mehr Steuereinnahmen für den Haushalt. Wir werden dann mehr Sozialausgaben tätigen, ohne ein Haushaltsdefizit von 3 Prozent zu überschreiten und wir werden im Jahr 2024 eine offene Tür zur Eurozone haben. Wenn wir jedoch in eine Rezession geraten, wenn die Geschäftstätigkeit und die Investitionen zum Erliegen kommen, wird alles wie Dominosteine zusammenfallen. Deshalb ist es in allen politischen Krisen wichtig, dass wir günstige Bedingungen für Business haben und dass die Verantwortlichen das Funktionieren des Wirtschaftslebens nicht durch zuweilen törichte und unvernünftige Entscheidungen gefährden. Mit anderen Worten, wenn sie schon nicht helfen, so sollten sie in der derzeitigen politischen Lage zumindest nicht schaden“, so Latschesar Bogdanow.

Unter Kriegsbedingungen beginnt jedes Land, global zu denken und seine Prioritäten neu zu ordnen, unterstreicht Prof. Willi Lilkow. Bulgarien hingegen schreibt sich seinen Worten zufolge nicht in diese Agenda ein und ist in kleinliche politische Ränkespiele verstrickt.

„Jede Partei zieht Trennlinien, stampft mit dem Fuß und sagt: Wir werden diese Grenze nicht überschreiten. Gleichzeitig ordnet sich Europa neu. Es ist höchste Zeit, die roten Trennlinien auf niedriger Ebene zu vergessen und nach Bündnissen im Namen langfristiger und globaler Interessen zu suchen. Nach den Wahlen sollten sich Parteien mit einer euro-atlantischen Ausrichtung und etablierten Werten die Hand reichen, um eine, sagen wir es so - geo-euro-atlantische Mehrheit im Parlament für bestimmte Prioritäten sowie eine volle Amtszeit der Regierung zu gewährleisten“, so Prof. Willi Lilkow abschließend.

Zusammengestellt von Diana Zankowa (auf der Grundlage von Interviews von Angela Kamenowa, BNR-Widin)

Übersetzung: Rossiza Radulowa

Fotos: Archiv


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