Joseph Beuys ist eine äußerst umstrittene Persönlichkeit, wohl aber auch einer der größten Künstler der Neuzeit. Mit diesen Worten beginnt unser Gespräch mit Vera Mlechevska, Kuratorin der neuesten Ausstellung „Funken der Imagination. Auf den Beuys-Frequenzen“, die in der Nationalgalerie – Quadrat 500 zu sehen ist. Mit der Ausstellung schließt sich Bulgarien den Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag des deutschen Bildhauers, Grafikers, Ästheten und Lehrers an, die im vergangenen Jahr begannen. die Exposition ist ein künstlerischer Versuch, die Frage zu beantworten – wer ist Joseph Beuys und was hat er mit der bulgarischen Kunst gemeinsam?
„Joseph Beuys war ein äußerst vielfältiger Künstler und ein sehr widersprüchlicher Mensch, der im Laufe seiner Karriere verschiedene Entwicklungen und Veränderungen erfahren hat. Er nahm als Teil der deutschen Luftwaffe am Zweiten Weltkrieg teil, was einen großen Einfluss auf seine spätere Arbeit ausübte. Sein ganzes Leben lang hat er versucht, sowohl sein Trauma zu heilen als auch die Gesellschaft durch Kunst auf solche Weise zu verändern, damit selbst der ganz gewöhnliche Mensch besser leben kann. Er wollte die Kreativität in jedem Menschen wecken, unabhängig davon, ob dieser ein Künstler ist oder nicht“, sagt Vera Mlechevska.
„In der Ausstellung „Funken der Imagination“ werden keine Werke von Beuys gezeigt, sondern mit ihr wird verdeutlicht, wie seine Ideen in den Werken zeitgenössischer bulgarischer Künstler und Künstlergruppen eingeflossen sind, die von ihm inspiriert wurden oder ähnliche Pfade der Suche einschlugen“, präzisiert Vera Mlechevska.
„Ich wurde vom Goethe-Institut Bulgarien eingeladen, eine Verbindung zwischen den bulgarischen Künstlern bzw. der hiesigen Künstlerszene und Joseph Beuys zu knüpfen. Das stellte sich als eine schwierige Aufgabe heraus, denn unabhängig davon, dass er zu Lebzeiten international als ein großartiger Künstler angesehen wurde, in Bulgarien aber erst nach seinem Tod 1986 eine breitere Bekanntheit erlangte. Der Grund dafür ist, dass bis dahin seine Kunst in Bulgarien aufgrund der sozialistischen Beschränkungen und des Kunstverständnisses der Institutionen keinesfalls populär sein konnte. Aktionen, Performances und Installationen kamen nicht gut an. Es stellte sich heraus, dass Beuys einigen Künstlern im Land bekannt war, die direkt oder indirekt von ihm beeinflusst wurden, viele andere aber ähnliche Wege eingeschlagen hatten. Die in der Ausstellung vorgestellten bulgarischen Künstler verbindet eher die Idee, als der direkte Einfluss. Es sind Werke und Archivmaterial aus den späten 80er und frühen 90er Jahren des 20. Jahrhunderts zu sehen, die durch Umweltprobleme, durch Probleme im Zusammenhang mit der Emanzipation von Menschen und Künstlern provoziert wurden. Es war die Zeit der Wende, in der sich eine öffentliche Energie für Veränderungen breit machte, etwas, das auch im Mittelpunkt von Beuys Arbeit stand. Gerade das habe ich angestrebt, weshalb wir die Ausstellung „Funken der Imagination“ genannt haben. Ein Funke fliegt und fällt an einem anderen Ort, bewirkt aber ein ähnliches Ergebnis.“
Vera Mlechevska gibt zu, dass das, was sie in Bezug auf Joseph Beuys und die Arbeit an der Ausstellung am meisten inspiriert habe, sein ständiger Wandel gewesen sei.
„Beuys war in allen möglichen Formen aktiv und ich habe versucht, seine Anwesenheit in allem und überall im Gebäude der Nationalgalerie zu finden. Die Ausstellung erstreckt sich vom Keller bis zum Dach des Gebäudes; die Künstler und ich haben den Dialog mit dem Gebäude selbst gesucht, mit der Architektur und der ständigen Exposition darin, was etwas Neues für den Ort ist“, sagt die Kuratorin.
Neben den Werken und Archivdokumenten, die in „Quadrat 500“ zu sehen sind, bietet „Funken der Imagination. Auf den Beuys-Frequenzen“ auch ein paralleles Begleitprogramm mit verschiedenen Vorführungen, Vorträgen, Begegnungen mit Künstlern und Performances, bei Einhaltung aller gültigen Corona-Maßnahmen.
Die Ausstellung läuft bis zum 21. April 2022. „Funken der Imagination. Auf den Beuys-Frequenzen“ ist ein Projekt des Goethe-Instituts Bulgarien in Zusammenarbeit mit der Nationalgalerie Sofia und der Stiftung „Art Affairs and Documents“.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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