Der fehlende Dialog mit den anderen beiden wichtigen Institutionen des Landes, dem Parlament und dem Ministerrat, habe die Umsetzung vieler Ideen des Präsidenten und der Vizepräsidentin bezüglich der Politik für die im Ausland lebenden Bulgaren verhindert. Das wurde aus dem Interview deutlich, das die Vizepräsidentin Ilijana Jotowa wenige Tage nachdem sie und Rumen Radew das Vertrauen der bulgarischen Bürger für eine zweite Amtszeit erhalten hatte, für Radio Bulgarien gab.
Das Gespräch fand in einer schicksalhaften Woche statt, in der Bulgarien von zwei Tragödien erschüttert wurde, bei denen neun alte Menschen aus einem Altersheim und 45 mazedonische Bürger bei einem Busunglück auf der Autobahn Struma ums Leben kamen.
"Die Emotionen sind immer noch zu stark", sagte Ilijana Jotowa und drückte den Angehörigen und Freunden der Opfer ihr Beileid aus.
„Dieses Mal muss die Wahrheit in allen Einzelheiten ans Licht kommen, egal wie grausam sie auch sein mag. Wir müssen wissen, wer seinen Job nicht gut gemacht hat. Nachdem die Wahrheit bekannt wird, müssen geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um künftig solche Katastrophen in unserem Land zu verhindern. Aber ich würde noch einen Schritt weiter gehen und fordern, dass dieses Mal die Schuldigen benannt und bestraft werden, dass die Schuld nicht verschwommen untergeht.“
Inoffiziellen Angaben zufolge leben fast 2 Millionen bulgarische Staatsbürger außerhalb Bulgariens. Sie haben sich in diesem Jahr sehr aktiv an den mehreren Wahlen für Parlament und Präsident beteiligt und hofften auf echte Veränderungen in ihrem Heimatland, auf die Einhaltung der Regeln, eine funktionierende Justiz, gute Gesundheitsversorgung, weniger Korruption unter den Beamten, gute Renten für ihre in Bulgarien verbliebenen Eltern.
„Vieles steht uns bevor“, sagt Ilijana Jotowa, die in der Präsidentschaft für die Auslandsbulgaren zuständig ist. „Besonders positiv in Bezug auf die Wahlen in diesem Jahr ist, dass die Bulgaren im Ausland sehr engagiert waren, was ein sicheres Zeichen dafür ist, wie sehr ihnen ihre Heimat am Herzen liegt. Das Wichtigste ist, dass die im Ausland lebenden Bulgaren ein Licht im Tunnel sehen, dass Veränderungen möglich sind. Wir müssen als Land alles tun, um sie diesmal nicht zu enttäuschen."
Eine Priorität für die zweite Amtszeit von Ilijana Jotowa als Vizepräsidentin ist, sich dafür einzusetzen, dass in Frankreich erneut ein Abitur in Bulgarisch als Fremdsprache möglich gemacht wird. Der französische Staat habe sicherlich nicht aus böser Absicht, den Text gestrichen. Es handele sich sicherlich um einen technischen Fehler, vermutet Jotowa. Das traurige dabei sei, dass niemand im bulgarischen Bildungsministerium darauf Aufmerksam geworden ist, dass das einfach verschlafen wurde.
Die bulgarische Sprache habe im Laufe der Jahre in vielen europäischen Ländern ihren Platz verloren, bedauert die Vizepräsidentin. „Viele Jahre lang war Bulgarische Philologie an führenden europäischen Universitäten ein Fachgebiet. Leider haben wir aufgrund unserer eigenen nihilistischen Sorglosigkeit als Land und Volk diese Positionen verloren“, sagt Ilijana Jotowa und weist auf ein markantes Beispiel hin.
„An der Universität in Budapest gibt es keine Vorlesungеn auf Bulgarisch, dafür aber auf Mazedonisch, was das auch immer bedeutet. Dieses Thema müssen wir uns im Kontext der Beziehungen zu Nordmazedonien vorstellen. Wir haben Positionen gehabt, die wir verloren haben. Der Weg, sie wiederherzustellen, wird nicht leicht sein. Doch wir müssen es tun“, unterstreicht Ilijana Jotowa.
Als Erfolg ihrer gemeinsamen Arbeit mit dem vorangegangenen Kabinett würdigt die Vizepräsidentin die Möglichkeit für Jugendliche, die bulgarische Auslandsschulen abgeschlossen haben, sich mit ihren Noten direkt an bulgarische Hochschulen zu bewerben. Das solle ein Ansporn für sie sein, zum Studium nach Bulgarien zu kommen, vielleicht auch dauerhaft hier sesshaft zu werden und sich für die Pflege der bulgarischen Sprache einzusetzen.
Der nächste Schritt müsse sein, aktiv in der Frage zu werden, wie auch Ausländer dazu bewogen werden können, Bulgarisch zu lernen. Das sei die größte Herausforderung und eine Frage der Staatspolitik, betont Ilijana Jotowa.
Außenpolitisch sind Kontakte zu den Behörden in Moldawien äußerst wichtig, um die administrative Integrität der Region Taraclia, in der eine konzentrierte bulgarische Gemeinschaft lebt, zu wahren. Eine mögliche neue administrative Gliederung dort, könnte zum Verlust der Möglichkeiten führen, Bulgarisch als Muttersprache zu lernen, befürchtet die Vizepräsidentin.
Übersetzung: Georgetta JanewaFotos: Team der Vizepräsidentin
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