Sendung auf Deutsch
Textgröße
Bulgarischer Nationaler Rundfunk © 2024 Alle Rechte vorbehalten

Fünf Tage bis zu den 2-in-1-Wahlen

Wie wirkt sich Covid-19 auf den Wahlkampf aus und welche Botschaften erreichen die Menschen

Foto: Ani Petrowa

Bulgarien steht kurz vor den dritten Parlamentswahlen in diesem Jahr, die diesmal gleichzeitig mit der regulären Präsidentschaftswahl abgehalten werden, und der Wahlkampf ist auf der Zielgeraden. Um aber herauszufinden, ob die Botschaften der Kandidaten die Wähler erreichen, müssen wir zunächst deren Verhalten in der Öffentlichkeit analysieren.

Das ist ein Wahlkampf der Monologe, die leider vor Rage strotzen“, kommentierte der Politologe Ognjan Mintschew in einem Interview für den Bulgarischen Nationalen Rundfunk.

Ognjan Mintschew

„Abgesehen von den Figuren, die am Rande stehen und in den nationalen und öffentlichen Medien nur deshalb präsent sind, weil die Änderung des Wahlgesetzes das zulässt, wird die Wahl des Volkes durch den enormen Hass zwischen den meisten Hauptkandidaten erschwert. Sie sehen sich nicht als Rivalen, die dasselbe Land regieren müssen, sondern sprechen übereinander in einer Weise, die von offener Feindschaft zeugt. Dieses Verhalten der Politiker legitimiert die Polarisierung der Gesellschaft, verschärft Wut, Hass, Konfliktbereitschaft und den Unwillen, eine Einigung zu erzielen.“

Die Covid-19-Pandemie hat mit Sicherheit ihren Teil zur Atomisierung der bereits gespaltenen bulgarischen Gesellschaft beigetragen, aber dieses Phänomen sollte nicht nur dem Virus zugeschrieben werden, das seit knapp zwei Jahren unter uns kursiert. Laut dem Sozialanthropologen Strachil Delijski hat das Problem mehrere Dimensionen.

Strachil Delijski

„Das Wichtigste ist meiner Meinung nach der Mangel an Solidarität. Das Mitgefühl für den anderen, das Gefühl, dass ich und die Person mir gegenüber gleichberechtigt sind zu sprechen und zu denken, geht letztlich verloren. Das Gefühl, nicht allein, sondern Teil eines gemeinsamen Organismus zu sein, ist einfach nicht vorhanden. Wir sind in Gruppen geteilt, die unterschiedliche Standpunkte verfechten. Und das Ziel ist nicht, aufeinanderzuprallen und eine gemeinsame Lösung zu finden, sondern zu zeigen, dass eine Gruppe minderwertiger ist. Eine zerfallende Gesellschaft kann keinen kollektiven Sinn und gemeinsame Werte hervorbringen, weil sie aus vielen kleinen Gruppen besteht, die ihren eigenen Sinn erschaffen und der ganze Sinn für Sozialität verloren geht. Wir leben entweder als Einzelne oder als Teil kleiner Sippen, die sich gegenseitig bekriegen“, meint Strachil Delijski.
Delijski sieht auch ein Problem in der Umwandlung der Medien zum mehr oder weniger einzigen Erzeuger eines kollektiven Sinns, wo das Hauptmotiv der meisten der Profit ist.

Ob sich die Müdigkeit infolge der fast einjährigen politischen und gesundheitlichen Instabilität, in der wir leben, auf die Wahlmotivation der Bulgaren auswirken wird, wird sich am Wahltag zeigen.

„Ich möchte daran erinnern, dass etwa die Hälfte der Bürger regelmäßig nicht zur Wahl geht“, betonte der Politologe Slawi Wassilew gegenüber dem BNR. „Das ist an erster Stelle eine Diagnose für unser politisches System. Wenn sich die Hälfte der Bürger nicht von den Wahlen fernhält, weil sie keinen Sinn sehen, sollte das die große Frage aufwerfen, was das bulgarische politische System darstellt und warum es bei der Hälfte der Bevölkerung für Desinteresse sorgt.“

Slawi Wassilew

Jene, die den Gang zu den Wahlurnen machen, werden auf der Grundlage ihrer Überzeugungen votieren, soweit sie solche haben, ergänzte Slawi Wassilew. Einige von ihnen haben bereits eine Partei gefunden, die ihren Idealen nahesteht. Und falls es nach der Abstimmung am 14. November zur Regierungsbildung kommt, muss sie wieder unter Beteiligung der sogenannten Parteien des Wandels erfolgen, analysiert der Politologe.

Übersetzung: Rossiza Radulowa

Fotos: BNR, BGNES




Последвайте ни и в Google News Showcase, за да научите най-важното от деня!

mehr aus dieser Rubrik…

Blickpunkt Balkan

Griechenland identifiziert 83 Jahre später 18 NS-Opfer Achtzehn Zivilisten, die während des Zweiten Weltkriegs auf der griechischen Insel Kreta hingerichtet wurden, konnten 83 Jahre später durch DNA-Analysen im Labor für Paläogenomik und..

veröffentlicht am 31.05.24 um 12:48
Erzbischof Stefan

Blickpunkt Balkan

Die mazedonisch-orthodoxe Kirche steckt im Streit um den Namen Mazedonien und die Erzdiözese Ochrid fest Die mazedonisch-orthodoxe Kirche hat sich in den Streit um den Namen „Mazedonien“ eingeschaltet. Das Oberhaupt der Kirche, Erzbischof Stefan,..

veröffentlicht am 23.05.24 um 13:22

Blickpunkt Balkan

Gordana Siljanovska-Davkova legt Eid als "Präsidentin Mazedoniens" ab Die Amtseinführung von Gordana Siljanovska als erste weibliche Präsidentin der Republik Nordmazedonien (RSM) löste einen internationalen Skandal aus. Vor dem..

veröffentlicht am 17.05.24 um 12:19