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Übergangsregierungen haben in der Regel eine wirtschaftliche Stagnation zur Folge

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Ob wir künftig über eine stabile Regierung verfügen werden oder immer wieder Wahlen abhalten müssen – das ist ein Dilemma, das nach den vorgezogenen Parlamentswahlen entstanden ist und recht bald eine Antwort finden wird. Zwischenzeitlich entführte uns Prof. Bisser Georgiew von der Universität „Bischof Konstantin von Preslaw“ in Schumen in die Zeit nach der Befreiung Bulgariens von der türkischen Fremdherrschaft, um uns vor Augen zu führen, wie sich kurzfristige Regierungen aus gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Sicht auf Bulgarien ausgewirkt haben.

„Es gab einige wichtige Momente, in denen es Übergangsregierungen mit fragiler Mehrheit gab, die aus vielen Parteien zusammengesetzt  waren“, erläuterte der Historiker gegenüber BNR-Schumen. „Zu solchen Regierungen kommt es normalerweise in Zeiten, die politisch gesehen besonders kritisch für die Entwicklung unserer Gesellschaft sind. Zeiten, in denen es zu einer Katastrophe, einer Krise oder einer großen Wende kommt. Ein Beispiel dafür ist der sogenannte Putsch des ersten bulgarischen Fürsten Alexander I. Battenberg, der am 27. April 1881 die legitim gewählte Volksversammlung und die Regierung der Liberalen gestürzt hat. Beachtenswert ist, dass in unserem Land nicht nur eine Regierung mit russischer Beteiligung gebildet wurde, sondern dass General Casimir Ernrot (ein finnischer Offizier und Dienstverwalter im Russischen Reich) zum Ministerpräsidenten ernannt wurde. Dieses Kabinett hat nur wenige Monate regiert und illustriert eine der drastischen Veränderungen in der bulgarischen Gesellschaft.“

Ähnlich waren sich aus politischer Sicht auch die Regierungen nach dem gewaltsamen Sturz von Prinz Alexander I. Battenberg im Jahr 1886. An ihrer Spitze standen Metropolit Kliment von der Konservativen Partei und der Liberale Petko Karawelow. Historische Statistiken belegen, dass dies die Regierungen sind, die in Bulgarien am kürzesten an der Macht waren. Die erste existierte offiziell nur 3 Tage, vom 9. bis zum 12. August 1886. Und die zweite, die von Petko Karawelow, hat nur 4 Tage überdauert - vom 12. bis zum 16. August des gleichen Jahres.

Kurios ist nicht nur, dass diese Regierungen nur wenige Tage existiert haben, sondern auch, dass einige Minister es nicht geschafft haben in die Hauptstadt zu kommen und andere nicht einmal erfahren haben, dass ihnen die Ehre zuteil wurde, Minister zu sein.

Ein weiteres Beispiel für eine kurzfristige Regierung in Krisenzeiten ist das zweite Kabinett von Todor Iwantschow, das 1900 per Dekret von Fürst Ferdinand ernannt wurde und weniger als zwei Monate existiert hat. Der neu gewählte Ministerpräsident regierte im Namen der Liberalen Partei, an deren Spitze Wassil Radoslawow stand. Das war ein Versuch des Fürsten, die politische Organisation zu spalten. „Zu jener Zeit ist es Bulgarien mit großer Mühe und dem Austausch mehrerer Übergangsregierungen gelungen, einen Kredit aus dem Ausland aufzunehmen und die Insolvenz zu vermeiden, die Griechenland wenige Jahre zuvor nicht umgehen konnte“, fügte der Professor hinzu. Die Lage war derart kritisch, dass eines der Kabinette nicht einmal die Gehälter seiner Beamten zahlen konnte.

„Übergangsregierungen haben meist eine wirtschaftliche Stagnation zur Folge“, weiss Bisser Georgiew zu berichten. „Zu solchen Kataklysmen  kommt es gerade in geschichtsträchtigen Zeiten, in denen die Unstimmigkeiten zwischen den einzelnen Politikern zu einem enormen wirtschaftlichen Rückschritt führen. Es ist jedoch nicht notwendig, Wahlen bis zum geht nicht mehr abzuhalten. Das ist in der Regel eine schlechte Entscheidung wegen der mehr oder weniger unkontrollierten Ausgabe von Mitteln durch Menschen, die nicht vom Parlament abhängen.

In schwierigen historischen Momenten kehren die Parteien ihren engen politischen Anschauungen den Rücken und konsolidieren sich im Namen der Nation und deren Prosperität, betont der Historiker mit Blick in die Vergangenheit. Derart haben in Bulgarien nach Ende des Ersten Weltkriegs politische Organisationen mit unterschiedlichen Anschauungen zwei Koalitionsregierungen gebildet. Die eine, die von Alexander Malinow, konnte drei Monate unmittelbar nach dem Krieg überdauern und die andere, die von Teodor Teodorow, ist fast ein Jahr an der Macht geblieben und hat es geschafft, die für unser Land schwierigste Lage zu überwinden, als die Menschen buchstäblich nichts zu essen hatten.

Zusammengestellt von Diana Zankowa nach einem Interview von Sdrawka Russewa von BNR-Schumen

Übersetzung: Rossiza Radulowa




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