Es ist ein Privileg, Werka Siderowa zu kennen. Es ist eine Ehre, bei ihr zu Gast zu sein. Es ist ein Glück, ihren Liedern zu lauschen, die die Herzen mehrerer Generationen Bulgaren wärmen. In den Lehrbüchern für Musik ist von Werka Siderowa zu lesen. Ihr Name ist emblematisch für das Nationale Folkloreensemble „Filip Kutew“, den Bulgarischen Nationalen Rundfunk, das Bulgarische Nationale Fernsehen, für die Region Dobrudscha, in der sie das Licht der Welt erblickt hat. Heute, am ihrem 95. Geburtstag, veröffentlichen wir ein Interview, das sie exklusiv für Radio Bulgarien gegeben hat.
Die namhafte Volkssängerin war nicht nur Solistin des Folkloreensembles „Filip Kutew“, sondern über lange Jahre auch Conférencier seiner Konzerte im Ausland, da sie Englisch, Russisch, Türkisch und andere Sprachen beherrscht. Zum ersten Mal übte sie sich als Moderatorin während einer Tournee in Italien.
„Wir hatten dort natürlich einen Dolmetscher, aber Kutew wollte, dass ich das Programm moderiere. Er wusste, dass ich das klassische Gymnasium absolviert hatte und Italienisch sprach. Als Schülerin habe ich zuerst Latein gelernt. Danach war es für mich einfach, mir die romanischen Sprachen anzueignen, zumal ich sie auch sehr mochte. Nach Italien habe ich in England und anderen Ländern gedolmetscht. Auch jetzt lese ich zuweilen Bücher in diversen Fremdsprachen – hauptsächlich Belletristik. So halte ich meinen Verstand frisch. Ich wollte anfangs Medizin studieren und habe fleißig gelernt. Aber mein Vater sagte, wir würden es finanziell nicht schaffen. Fast unmittelbar nach dem Abitur habe ich geheiratet, danach begann ich als Angestellte in Baltschik zu arbeiten. Dort habe ich während eines Wettbewerbs, bei dem mich Filip Kutew gehört hat, den ersten Preis gewonnen. Das hat mein Leben auf ein vollkommen anderes Gleis geleitet. Ich ging ins Ensemble und es folgte eine endlose Kette von Proben und Gastreisen – und das im Laufe von 30 Jahren“, erzählt Werka Siderowa.
Sie erinnert sich hat auch an die wunderbare Atmosphäre im Ensemble.
„Diese war voll und ganz Filip Kutew zu verdanken. Er war ein sehr guter Mann, aber auch sehr streng. Manchmal hat er mich wie ein Kind ausgescholten. Sobald ich aber irgendwelche Probleme hatte (und mir sind im Leben viele Dinge passiert), hat er mir immer geholfen und mich wie ein Vater getröstet, dass alles wieder gut wird.
Eins weiß ich in Sachen Begabung mit Sicherheit zu sagen: Ich hatte wirklich ein großes musikalisches Talent. Ich brauchte mir ein Lied nur ein einziges Mal anzuhören, um es mit einzuprägen. Aus diesem Grund hat mich Kutew beauftragt, mit einem Teil des Chors die neuen Lieder einzuüben. Wir waren wie eine Familie. Natürlich hat es auch bei uns immer wieder mal kleine Streitereien gegeben, aber die waren schnell wieder vergessen. Wir haben im Ausland immer in renommierten Konzertsälen gesungen. Ich erinnere mich noch an unsere erste Tournee in Nordamerika, die drei Monate gedauert hat. Wir waren zuerst in den Vereinigten Staaten. Wir müssen wirklich starke Stimmen gehabt haben, um einer solchen Belastung standzuhalten. Wir hatten fast jeden Tag Konzerte in verschiedenen Städten, legten riesige Strecken zurück, fühlten aber keine Müdigkeit. Nach den USA machten wir uns nach Kanada auf“, erinnert sich Werka Siderowa.
Und wie sieht das heutige Leben der legendären Volkssängerin aus?
„Ich bin jetzt absolut frei, aber ich verbringe die Zeit zu Hause. Das muss man sich mal vorstellen – Werka Siderowa an einem Ort. Ich, die ich immer im Wettlauf mit der Zeit und stets auf Achse war... Aber das Leben lehrt uns alles. Ich finde immer etwas, um mich zu beschäftigen. In einem Haushalt gibt es immer etwas zu tun. Früher reichte mir die Zeit nie aus. Nun aber koche ich sehr gern, rufe mir auch alte Rezepte in Erinnerung. Ich habe Freunde an den Menschen, die mich besuchen. Und ich bin glücklich, dass mir Anerkennung für meine Arbeit zuteil wurde. Ich habe die größten Auszeichnungen erhalten. Und kaum habe ich mich versehen, ist mein Leben, als wäre es ein Lied, vorbeigerauscht. Aber singen tue ich auch heute noch. Vielleicht wird mein letzter Atemzug ein Ton aus einem meiner Lieder sein.“
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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