Die größte politische Kraft in der 45. bulgarischen Volksversammlung wird das Mandat zur Regierungsbildung nicht umsetzen, das ihr Präsident Radew am Dienstag (20. April) übergeben hat. Obwohl die Koalition GERB-SDS schon früh mit der Zusammensetzung des Kabinetts fertig war, wurden ihr Unterstützungsgespräche mit den beiden eingeladenen politischen Kräften – der Koalition „Demokratisches Bulgarien“ und der Partei „Es gibt ein solches Volk“ - verwehrt. Der Kandidat für den Premierministerposten in der von GERB-SDS vorgeschlagenen Regierung Daniel Mitow resümierte:
„Wir haben ernsthaft und offen versucht, mit den Parteien bestimmte Politiken und Möglichkeiten zur Bildung einer Regierung zu besprechen, welche die Verantwortung für die Führung des Landes übernehmen muss. Die Ablehnung eines Dialogs ist kein politisches Verhalten, das von langer Dauer sein kann. Es wird keinen vorhersehbaren politischen Prozess geben, es wird nicht klar sein, was die bulgarischen Bürger in den kommenden Monaten erwarten können,“ so Daniel Mitow.
Unterstützung hat die GERB-Partei von keiner einzigen der in der 45. Volksversammlung vertretenen politischen Kräfte erhalten. Aus diesem Grund hat ihr Vorsitzender Bojko Borissow die Entscheidung des Exekutivrates der Partei verkündet, das Mandat zur Regierungsbildung zurückzugeben. Laut Borissow sei die Durchführung neuer Parlamentswahlen unumgänglich. Nun soll die zweitgrößte politische Kraft im Parlament das Mandat zur Regierungsbildungan erhalten.
„Die Partei „Es gibt ein solches Volk“ wird keine Regierung bilden, sie haben Angst und werden nicht verantwortungsbewusst wie wir handeln“, prognostizierte Bojko Borissow.
Die Spekulationen im Zusammenhang mit dem künftigen Vorgehen der zweiten politischen Kraft grassieren. Unter anderem auch weil sich ihre Vertreter über ihre zukünftigen Pläne ausschweigen. Derzeit ist nur das bekannt, was sie bereits während des Wahlkampfes verlauten ließen: dass sie politisch nicht mit den Parteien des Status Quo (GERB, BSP, DPS) interagieren würden.
„Das einzige, was „Es gibt ein solches Volk“ dazu motivieren könnte, zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein Kabinett aufzustellen, ist der Wunsch, GERB von der Macht zu beseitigen“, sagte der Politologe Iwan-Assen Iwanow. In einem Interview für das Inlandsprogramm „Horizont“ des BNR schloss er externen Druck auf die politischen Kräfte zur Regierungsbildung aus.
„Wir befinden uns derzeit in einer Lage, in der alles Mögliche gesagt wird, insbesondere angesichts des Schweigens der zweiten politischen Partei, was ziemlich ungewöhnlich ist. Letzten Endes sehe ich aber angesichts der komplizierten internationalen Situation keinen Grund, dass die Lage in Bulgarien für allzu großes Interesse sorgen könnte. Unsere internationalen Partner ziehen es sicherlich vor, dass es in Bulgarien eine funktionierende Regierung gibt, aber sie werden kaum Wetten darüber abschließen wollen“, sagte Iwan-Assen Iwanow.
Die Analysten lauern auf Zeichen, die den Vorhang für den zweiten Akt des politischen Spiels etwas lüften. Man wartet voller Spannung, wann Präsident Radew der Partei „Es gibt ein solches Volk“ das Mandat zur Regierungsbildung überreichen wird. Denn der Auftrag zur Regierungsbildung muss vom Kandidaten der Partei für den Posten des Premierministers entgegengenommen werden. Seine Persönlichkeit könnte eventuell Aufschluss über die künftigen Absichten von „Es gibt ein solches Volk“ geben. Die Partei könnte das Mandat aber auch nicht annehmen.
„Ich bin kein Fan der Strategie, der sich „Es gibt ein solches Volk“ bedient“, sagte Iwan-Assen Iwanow. „Ich sehe es als normal an, dass man die Aufstellung eines Kabinetts biss zu einem bestimmten Grade geheim hält. Niemand erwartet von „Es gibt ein solches Volk“ konkrete Namen. Aber die Aufstellung einer Regierung stellt immer noch die Bildung der öffentlichsten institutionellen Regierungsform dar. Dieser Prozess erfordert irgendeine Form der Kommunikation, zumindest mit den Bürgern, die für den Einzug dieser Partei ins Parlament gestimmt haben. Diese fast okkulte Heimlichtuerei - als ob wir nicht die Bildung einer Regierung verfolgen, sondern eine Einweihung in die Loge einer geheimen Organisation - bringt „Es gibt ein solches Volk“ nichts Gutes ein. In Anbetracht all dessen ist die Situation höchst unvorhersehbar. Sie sagen, dass sie eine Regierung bilden können, obwohl sie keine Unterstützung von den Parteien des Status Quo wollen, aber sie definieren nicht, was sie unter Unterstützung oder Koalition verstehen, weil wir gestern beim Rechtsausschuss im Parlament Zeuge von Abstimmungen von „Es gibt ein solches Volk“ mit GERB geworden sind,“ so Iwan-Assen Iwanow weiter.
„Wir werden tun, was getan werden muss, sobald wir das Mandat erhalten“, sagte der Vorsitzende der Parlamentsfraktion von „Es gibt ein solches Volk“ Toschko Jordanow. Das vor zwei Tagen im Plenarsaal gemachte Statement spielt das Thema aber wie eine „heiße Kartoffel“ direkt auf das dritte Mandat zur Regierungsbildung zu: „Wenn es zu einem dritten Mandat kommt, d.h. es wird dazu kommen, muss sich derjenige, der es annimmt, sorgfältig überlegen, was er tun wird.“
„Falls „Es gibt ein solches Volk“ kein Kabinett bildet, hätte die dritte politische Kraft, die das Mandat annimmt, meines Erachtens nicht eine derart hohe Legitimität, um eine Regierung zu bilden, selbst wenn sie es möchte. Aber die Entwicklung der ganzen Situation steht noch bevor. Wir müssen zuerst sehen, was „Es gibt ein solches Volk“ tun wird. Die Äußerungen seiner Repräsentanten sind aber sehr breit gefächert. Bei ihnen ist alles möglich“, sagte Iwan-Assen Iwanow abschließend.
Zusammengestellt von: Elena Karkalanowa (nach einem Interview von Silvia Welikowa, BNR-Horizont)
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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