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Warum ist es für Bulgarien wichtig, noch einen Kernreaktor zu haben?

Foto: Archiv

Die Regierung hat grünes Licht für das Verfahren zum Bau eines neuen Kernreaktors im KKW Kosloduj gegeben. Derzeit verfügt dieses einzige bulgarische Kernkraftwerk über zwei alte russische Reaktoren mit einer Leistung von jeweils 1.000 Megawatt, die etwa 40% des Stroms des Landes produzieren.

Nicht sehr klar ist die Situation mit dem zweiten geplanten bulgarischen Kernkraftwerk in Belene, für das zwei brandneue russische Kernreaktoren mit jeweils 1.000 Megawatt gekauft und geliefert wurden und in deren Bau der Staat bereits über 1,5 Milliarden Euro investiert hat. Zu Beginn des Sommers bildeten drei der Unternehmen auf der Shortlist für die Teilnahme am Verfahren zur Auswahl eines strategischen Investors für das KKW Belene – Rosatom, General Electric und Framatome – ein Konsortium, bisher fehlen jedoch konkretere Schritte, und das erklärt sich mit dem Coronavirus und der globalen Wirtschaftskrise, die viele Industrieprojekte auf der ganzen Welt verzögert oder sogar zum Stillstand bringt.

Andererseits muss Bulgarien gemäß internationalen Abkommen seine Kohlekraftwerke stilllegen, die fast 50% des Stroms des Landes liefern. Dies wird offensichtlich Probleme bei der Versorgung der Unternehmen und der Bevölkerung mit Strom verursachen und erfordert Überlegungen, wie der Mangel ausgeglichen werden kann. Die Regierung selbst räumt ein, dass das eine schwierige Aufgabe sein wird, muss jedoch im Dezember einen Beschluss nehmen, mit dem sich Bulgarien verpflichten wird, seine schädlichen Emissionen bis 2030 um 55% zu senken.

„Eigentlich ist das Thema zum Bau eines neuen Reaktors im KKW Kosloduj überhaupt nicht neu. Es wurde seit 2012 in Parlamentsakten formalisiert, es gibt eine Entscheidung aus dem Jahr 2012 und eine aus dem Jahr 2013, aber bis heute scheinen diese etwas abstrakt zu sein“, kommentierte Slawtscho Nejkow, Vorsitzender des Instituts für Energiemanagement, gegenüber BNR:

Trotz der vorsichtigen Haltung der Welt gegenüber der Kernenergie machen ihre Befürworter in Bulgarien die Mehrheit aus. Unter ihnen ist auch Premierminister Bojko Borissow, der unter anderem sehr an der Diversifizierung der Energielieferungen und der Verringerung der Energieabhängigkeit des Landes von Russland interessiert ist. Die Experten des Instituts für Marktwirtschaft betonen ihrerseits in einer veröffentlichten Analyse, dass „die neuen Technologien auch Kernkraftwerke umfassen – das sind kleine modulare Reaktoren, die ihre Produktion schnell ändern und die Bedürfnisse des bulgarischen Verbrauchs erfüllen können“.

„Zum ersten Mal hinken wir nicht dem Trend hinterher, sondern handeln proaktiv. Aber ich wiederhole – das ist ein sehr langer Prozess. Wichtig ist, dass der Anfang gesetzt ist“, kommentierte der Energieexperte Prof. Atanas Tassew die Entscheidung der Regierung zum Ausbau des KKW Kosloduj gegenüber BNR.

Zunächst ist es vorgesehen, dass die Bulgarische Energieholding in Zusammenarbeit mit amerikanischen High-Tech-Nuklearunternehmen mit der Lösung der zahlreichen Probleme im Zusammenhang mit dem künftigen Reaktor des KKW Kozloduy beginnt. Wer die Anlage bauen wird, wessen Eigentum sie sein wird, wie viel das Projekt kosten wird, etc. – sind alles Fragen, die noch keine Antworten haben. Es ist kein Zufall, dass Experten die mögliche Inbetriebnahme des neuen Reaktors im fernen Jahr 2050 sehen. Laut Energieministerin Temenuschka Petkowa ist es jetzt an der Zeit, über die Zukunft nachzudenken, da die Nutzungsdauer der bestehenden zwei Reaktoren des KKW Kosloduj im Jahr 2047 bzw. 2049 endet.

All das bedeutet, dass es Pläne und Ideen für die Entwicklung der bulgarischen Energiewirtschaft in der neuen Ära der Dekarbonisierung zwar gibt, aber es bleibt die Frage nach der Wirtschaftlichkeit dieser Projekte. Und letztendlich hängt alles von den geopolitischen Gleichgewichten und Widersprüchen zwischen den wichtigsten globalen Akteuren in der Kernenergie, den USA und Russland, ab.

Übersetzung: Mihail Dimitrov


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