Laut den demographischen Angaben vom Ende vergangenen Jahres weist fast ein Viertel (23%) aller Ortschaften in Bulgarien zwischen einem und 23 Einwohner auf. Die Region Weliko Tarnowo liegt nach der Anzahl der Geisterortschaften landesweit an zweiter Stelle. In solch einem menschenleeren Dorf lebt Zana Zwjatkowa – die einzige Einwohnerin von Goranowtzi. Sie stand im Mittelpunkt einer Reportage unserer Kollegin Sdrawka Masljankowa.
Das Telefon erwies sich als einzige Verbindungsmöglichkeit zu der 73jährigen Frau, die während der Corona-Krise völlig auf sich allein gestellt ist. Abgeschnitten von der Welt und ohne Verbindung zu Verwandten und Bekannten sowie der Sozialhilfe fristet sie in diesem Geisterdorf ein einsames Leben. Die Reportage ergriff das Herz einer in Bulgarien lebenden Schottin. Sie konnte es nicht glauben, dass die alte Frau mit einer monatlichen Rente von 118 Lewa (ca. 60 Euro) auskommen muss und sich von dem ernährt, was sie in ihrem Garten anbaut. Dieser starke Geist und Wille zum Leben beeindruckten die Ausländerin, die gegenüber den einfachen Menschen in Bulgarien Hochachtung hat. Sie kennt deren Leben aus nächster Nähe, denn seit 2007 besuchte sie regelmäßig Bulgarien, bis sie sich schließlich hier niederließ. Zu ihrer zweiten Heimstatt wurde das Dorf „General Toschewo“ in Nordostbulgarien.
Sie zögerte nicht lange und beschloss, der einsamen Frau im Gebirge ein Paket mit Labensmitteln und einigen süßen Leckereien zu schicken. Es stellte sich jedoch heraus, dass sich kein einziger Kurierdienst des Auftrags annehmen wollte, ein Päckchen in dieser Gebirgseinöde zuzustellen. Das schreckte die Wohltäterin jedoch nicht ab und sie wandte sich direkt an den Rundfunk um Hilfe. Mit vereinten Kräften gelang es, das Hilfspaket Zana Zwjatkowa auszuhändigen.
Die Stifterin aus Großbritannien, die übrigens ungenannt bleiben wollte, hat allen gezeigt, dass man nicht unbedingt reich sein muss, um helfen zu können. In schwierigen Zeiten macht selbst eine Geste der Anteilnahme Mut.
Die Geschichte über die einsame Frau im verlassenen Gebirgsdorf lenkte die Aufmerksamkeit jedoch auch auf eine ganze Reihe von Problemen im Zusammenhang mit den entvölkerten Ortschaften. Doch das ist ein anderes Thema.
Der Mann, der sich der Zustellung des Pakets annahm war Petjo Koew, der als Vorsteher für das Dorf Rajkowtzi arbeitet. Er gehört ebenso zu den „unsichtbaren“ Helfern, die sich darum kümmern, dass den Menschen in sozialer Isolation geholfen wird. Im Zuge der Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus, wurden die Busverbindungen zu den Dörfern in der Region Weliko Tarnowo eingestellt. Koew begann daraufhin mit seinem eigenen Auto Brot, Medikamente und andere Waren, denen die Menschen bedürfen, zuzustellen. „Eine traurige Geschichte. Die Bevölkerung schwindet zusehends und das schon seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts“, klagt Petjo Koew, der bereits seit 25 Jahren als Bürgermeister bzw. Gemeindevorsteher arbeitet. „Mitte des 20. Jahrhunderts gab es bei uns in der Region noch Gemeinden mit 2.300 Einwohnern und 22 eingemeindeten Gehöften. Als ich den Posten des Bürgermeisters übernahm, waren nur noch 16 bewohnte Ortschaften mit insgesamt 115 Einwohnern übrig – heute leben hier nur noch 25 Menschen.“
„Der Notstand hat sich nicht sonderlich auf unser Leben ausgewirkt – das Leben ging im gleichen Rhythmus weiter“, erzählt weiter Petjo Koew. „Einzig die Einstellung der Busverbindung von Weliko Tarnowo bis zum Dorf „Mischemorkow Han“ – dem letzten noch bewohnten Ort in der Gemeinde, hatte die Menschen völlig von der Welt abgeschnitten. Nun fährt der Bus wieder – zwei Mal in der Woche. Die Menschen hier haben nach Ausbruch der Seuche keine Lebensmittel gehortet. Sie sind es gewohnt und haben immer etwas auf Vorrat, denn sobald in der Region etwas mehr Schnee fällt, bricht die Nahrungsmittelversorgung ab. Die Menschen hier haben es nicht einfach. Wie die meisten auch, hat sich Zana Zwjatkowa ein Leben lang mit Landwirtschaft beschäftigt. Nur sehr wenige Menschen bringen den Mut auf, wie sie zu leben. Ihr Hof liegt am höchsten im Gebirge. Weit und breit hat sie keine Nachbarn und ist völlig auf sich allein gestellt. Hilfe erhält sie vom Roten Kreuz und dem Sozialamt. Trotz aller widrigen Umstände will sie nicht an einem anderen Ort leben. Wie die meisten Balkan-Bewohner möchte auch Zana ihren Geburtsort nicht verlassen.“
Es könnte auch nicht anders sein, denn die Natur ist bemerkenswert. Jetzt im Frühling ist alles erblüht und ergrünt. Leider gibt es keine geeigneten Bedingungen für Tourismus. Es stehen einzig zwei Berghütten, die noch Besucher anlocken, denen es die unberührte Natur angetan hat.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: Archiv und BNT
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