Die Schüler wollen so schnell wie möglich wieder zur Schule gehen und es freut sie kaum, dass es wegen Corona keine Elternabende geben kann. Die zweite Hoffnung, die sie haben, steht mit den älteren Generationen in Verbindung: Diese mögen sich schneller mit den modernen Technologien anfreunden, denn die Lehrer und in gewisser Weise auch die Eltern sind in den Fernunterricht eingebunden.
Nach rund drei Wochen Fernunterricht in Bulgarien sind nunmehr rund 700.000 Schüler und 60.000 Lehrer mit dieser Ausbildungsform beschäftigt, informierte die Bulgarische Nachrichtenagentur BTA. Es hat sich aber herausgestellt, dass etwa 2.000 Pädagogen nicht über die technischen Möglichkeiten zur Durchführung einer Ausbildung aus Distanz verfügen; das trifft auch auf 70.000 Kinder zu. Laut Bildungsminister Krassimir Waltschew wurden für die Ausstattung der Lehrkräfte mit der nötigen Technik zwischen einer und zwei Millionen Lewa (ca. eine halbe bis eine Million Euro) bereitgestellt. Die Finanzen stammen vom Programm „Wissenschaft und Bildung für ein intelligentes Wachstum“. Die Mobilnetzbetreiber haben ihrerseits das Engagement aufgenommen, mehr Wi-Fi-Stellen in den Roma-Vierteln und Dörfern einzurichten.
Eine andere Form des Fernunterrichts kann per Telefon/Handy und über die Zustellung von Lehrmaterial per Post verwirklicht werden. Nach Aufheben des Notstands werden diese Schüler in den Schulen Nachunterricht erhalten, um den versäumten Stoff aufzuarbeiten, versicherte der Bildungsminister.
Fernunterricht gilt als intensiver
95 Prozent aller Schüler in Bulgarien sind in den elektronischen Fernunterricht eingebunden, informierte jüngst das Bildungsministerium. Der jetzige Lehrprozess wird als belastender eingeschätzt, so dass Minister Waltschew für die Woche vor Ostern (13. bis 16. April) einen weniger intensiven Unterricht angeordnet hat. So werden die Schüler einen fast fließenden Übergang zu den Osterferien vom 17. bis 20. April haben.
Es hat sich herausgestellt, dass von allen 2.400 Schulen in Bulgarien die privaten Lehreinrichtungen am besten auf den Unterricht übers Internet vorbereitet sind. Sie verfügen nicht nur über die nötigen technischen Ressourcen, sondern haben bereits öfter sogenannte „virtuelle Klassenzimmer“ eingerichtet.
Fernunterricht auch für Roma-Kinder
Im Gegensatz dazu ist die Online-Ausbildung in den Randgruppen der Gesellschaft, wie es die Roma sind, nur schwer auf diese Weise unmöglich. Das bestätigte Milko Stojanow, Bildungsmediator im Plowdiwer Roma-Viertel „Stolipinowo“. Da die Schüler dort nicht über die nötige Technik für den Fernunterricht verfügen, schafft er und seine Kollegen für Abhilfe, indem sie den Roma-Kindern Lehrmaterialien bringen, den Unterrichtsstoff erklären und die erledigten Hausaufgaben ihren Lehrern überbringen.
„Es gibt Kinder, die damit zurechtkommen“, sagt Milko Stojanow, der tagtäglich 50 Roma-Familien mit dem abgelichteten Lehrstoff besucht.
Aus Sicht der Eltern gestaltet sich der Fernunterricht schwierig, ist aber nicht unmöglich. Das versicherte uns Fahride Hussein, Mutter eines Erstklässlers und zweier Töchter, die in die 4. bzw. 7. Klasse gehen. Gemeinsam, schauen sie sich Videos auf der Seite „ucha.se“ an, hören aufgenommene Unterrichtsstunden und füllen Arbeitsbögen aus, die die Lehrer via „Viber“ oder „Messenger“ verschicken. Fahride bereitet sich ihrerseits auf Aufnahmeprüfungen für ein Lehrerstudium vor. Als Bildungsmediatorin an einem Kindergarten in Plowdiw besucht sie täglich die Roma-Viertel, um die dortigen Bewohner über die Risiken einer Covid-19-Infektion aufzuklären und sie aufzufordern, für eine bessere Hygiene zu sorgen. Jedes Mal wird sie jedoch gefragt, wann der Kindergarten wieder seine Arbeit aufnehmen werde...
Selbst Kleinstädte kommen mit Fernunterricht gut zurecht
In den Kleinstadt Warschetz lernen ebenfalls um die 95 Prozent der Schüler online. „Am Anfang, als der Fernunterricht eingeführt wurde, war es natürlich für alle schwer“, erzählte uns Wenislawa Samfirowa, Lehrerin an der Gymnasialschule „Iwan Wasow“.
„Ich würde nicht sagen, dass es allzu stressig ist, da man als Lehrer sehr flexibel ist“, sagte sie in einem Interview für Radio Widin. „Es ist bei weitem stressiger, dass man nicht hinausgehen kann, um ein wenig spazieren zu gehen. Den Kindern ist dieser Art Unterricht interessant. Ich bin zuversichtlich, dass vielleicht alles nur bis Ende April dauern wird. Dann werden wir wieder auf den gewohnten Gleisen sein, alles wird jedoch nicht so leicht anfahren.“
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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