Bis vor zwei Wochen war in Wirtschaftskreisen von Wachstum, Аnstellung neuer Mitarbeiter, von Export und Import, Preisen und Transport, Investitionen und Lohnerhöhungen die Rede. Binnen zehn Tagen nur hat die Coronavirus-Pandemie all das verändert. Nun spricht man bereits von einer Rezession und einem Rückgang von Produktion und Verbrauch, von neuen Unternehmens- und Staatsschulden, einem anstehenden Anstieg der Arbeitslosigkeit, von massiven Insolvenzen und notgedrungener Schließung von Unternehmen.
Genau das haben einige der größten Unternehmen in unserem Land bereits getan. Der größte Militärbetrieb „Arsenal“ in Sopot, der mit 9.500 Arbeitern zugleich auch der größte private Arbeitgeber ist, hat geschlossen und seine Mitarbeiter beurlaubt. Diesen Schritt sind auch einige der größten Kohlengruben in Bulgarien im Komplex Mariza-Ost gegangen. Es wurde aber versichert, dass die Kohlekraftwerke keine Probleme haben und über genug Kohle für Jahre im Voraus verfügen würden.
Noch schlimmer sieht die Lage in der Tourismusbranche aus, in der Insolvenzen von Reiseunternehmern und Hotels bevorstehen. Der Anteil der Tourismusbranche am BIP liegt bei 14 Prozent. Das gleiche Schicksal zeichnet auch sich für die Transportunternehmen ab, die wegen der fast europaweit blockierten Grenzen Probleme mit den Lieferungen haben.
Der Hauptantrieb für das Wirtschaftswachstum war bis vor kurzem der Inlandsverbrauch. Letztes Jahr hat er 3,5 Prozent erreicht, wobei Exporte eine wesentliche Rolle dabei gespielt haben. Nun ist der Inlandsverbrauch erschwert, weil viele Geschäfte geschlossen haben und die Bewegung und Ansammlung von Menschen eingeschränkt sind. Was die Probleme mit dem Export angeht, reicht es wohl zu sagen, dass Italien, das am stärksten von Covid-19 betroffen ist, Bulgariens zweitgrößter Handelspartner in der EU ist.
Hier können auch die Branchen Dienstleistungen, Automobilindustrie und Handel dazugerechnet werden. Allein in den letzten Monaten sind die Neuwagenverkäufe im Land um bis zu 30 Prozent gesunken. Überraschenderweise leidet sogar der Online-Handel. Derzeit machen Online-Verkäufe nur 30-40 Prozent des Umsatzes vor der Krise aus. Es werden noch weitere Schwierigkeiten für das Unternehmertum erwartet. Wie Präsident Rumen Radew angemahnt hat, könnte die wirtschaftliche und soziale Krise für Tausende von Bulgaren zur humanitären Krise werden. Das leugnet auch nicht Premier Bojko Borissow, der bereits von einem Haushaltsdefizit von 1,7 Milliarden Euro spricht. Die Abgeordneten rechnen in diesem Jahr mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in Höhe von 2,5 Milliarden Euro.
Die Behörden versuchen, Maßnahmen zu ergreifen, um die Krise abzumildern und die am stärksten betroffenen Menschen zu retten. Die Regierung beabsichtigt, in 3 Monaten 60 Prozent der Gehälter von Arbeitnehmern zu übernehmen, deren Einkommen vom Ausnahmezustand betroffen ist. Die bulgarische Nationalbank BNB hat durch ein Maßnahmenpaket im Wert von 4,6 Milliarden Euro für die Stabilität und Liquidität des Bankensektors gesorgt. Eine Bestimmung des am Freitag vom Parlament in Eile verabschiedeten Gesetzes über den Ausnahmezustand hat jedoch die bulgarischen Unternehmer in Rage versetzt. Diese Maßnahme sieht ein Einfrieren der Preise auf ihren Durchschnittspreis der letzten drei Monate vor, was nach Ansicht der Geschäftswelt den Schwarzmarkt wiederbeleben würde. Diese Meinung teilt auch Finanzminister Wladislaw Goranow. Nachdem sich Präsident Rumen Radew die Argumente der Geschäftsleute angehört hat, hat er teilweise ein Veto gegen das Notstandsgesetz eingelegt. Premier Bojko Borissow wiederum sprach seine Erwartung aus, dass das Parlament die notwendigen Korrekturen am Gesetz vornehmen wird.
Vor diesem eher düsteren Hintergrund klingen die Prognosen des renommierten Wiener Instituts für internationale Wirtschaftsvergleiche, das immerhin mit einem, wenn auch kleinen Wachstum von 1,4 Prozent in diesem Jahr rechnet, beruhigend und ermutigend. Aber bulgarische Experten malen apokalyptische Szenarien, bei denen die jetzige Wirtschaftskrise jene aus den 1990er Jahren übertreffen wird, als die Wirtschaft jährlich um mehr als 30 Prozent geschrumpft ist. Das bulgarische Finanzministerium hat für dieses Jahr ein BIP-Wachstum von 3,4 Prozent veranschlagt, das jedoch offensichtlich nicht erreicht wird. Es bleibt abzuwarten, wie das bulgarische Geschäft die schwierigen Herausforderungen bewältigen wird und ob es die notwendige Reife und Anpassungsfähigkeit an die neuen Bedingungen aufbringen wird.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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