Der am Freitag, den 13. März, aufgrund des Coronavirus in Bulgarien eingeführte Ausnahmezustand ist ziemlich flexibel oder „weich“, wie man so sagt. Die Menschen können sich frei bewegen, es herrscht kein Verkehrsverbot, die Leute können zur Arbeit und einkaufen gehen. Der Einzelhandel ist zwar nach der Schließung der großen Einkaufszentren leicht angeschlagen, aber ansonsten haben viele Lebensmittelgeschäfte und sonstige Läden offen, nur dürfen sich nicht viele Menschen an einem Ort versammeln. Unmittelbar nach Einführung des Ausnahmezustands am Freitag ist es vor den Supermärkten zu gewissen Menschenansammlungen gekommen, jetzt aber ist die Lage ruhig, obwohl manche Regale leergeräumt sind. Der Rest der Geschäftswelt harrt in einer Warteposition aus, ist verunsichert und weiß nicht so recht was zu tun ist, hat aber böse Vorahnungen.
Worten des nationalen Gesundheitsinspektors Dr. Angel Kuntschew zufolge zählt Bulgarien zu den am wenigsten von COVID-19 betroffenen Ländern. So oder anders sind nun aber neue Lebensregeln in Kraft, die auch für Unternehmen gelten. Am stärksten davon betroffen sind die Tourismus- und Transportbranche, das Hotel- und Gaststättenwesen sowie die Unterhaltungsindustrie als Ganzes. Alles ist jedoch immer noch in der Anfangsphase und niemand kann vorhersagen, wie sich die Situation künftig entwickeln wird, sagen Experten. Die Behörden und die Wirtschaft besprechen unterschiedliche Szenarien und ihre Meinungen zu den wichtigsten Maßnahmen in der Krisensituation stimmen bislang zum Großteil überein. Das wurde bei einem Treffen von Präsident Rumen Radew mit Arbeitgeberorganisationen deutlich, bei dem er erklärte, dass „nur mit Verboten und Strafgeldern wir nicht als nachhaltige Wirtschaft aus der Krise herauskommen können“. Ihm zufolge ist eine Reihe von Maßnahmen erforderlich, um das Unternehmertum zu unterstützen, das bereits Verluste erleidet. „Ohne Business kann der Staat nicht überleben“, ist der Staatspräsident überzeugt.
Der Vorsitzende der Vereinigung des Industriekapitals in Bulgarien Wassil Welew erklärte seinerseits: „Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, die keinen symbolischen Charakter haben. Unternehmen müssen ebenso entschädigt werden wie Menschen, die keine Löhne erhalten werden“, denn „der Schaden aus wirtschaftlichen Gründen wird größer sein als der aus medizinischen Gründen“. Radoswet Radew, Mitglied des Verwaltungsrates der Bulgarischen Wirtschaftskammer, forderte den Staat auf, „Korrektheit an den Tag zu legen, indem er all seine Schulden gegenüber verschiedenen Programmen und öffentlichen Aufträgen begleicht“. Während eines anderen Treffens von Finanzminister Wladislaw Goranow und Wirtschaftsminister Emil Karanikolow mit Vertretern der Geschäftswelt und der Gewerkschaften waren sich alle einig, dass Fiskus-Maßnahmen das Business nicht ersetzen können und dass eine Balance zwischen Maßnahmen für soziale Distanz und realer wirtschaftlicher und kommerzieller Aktivität gefunden werden muss. Das Kapital der staatlichen Entwicklungsbank wird um 250 Millionen Euro aufgestockt, damit genügend Ressourcen zur Unterstützung der Wirtschaftsunternehmen vorhanden sind, so dass die Wirtschaftstätigkeit nicht zum Stillstand kommt und Entlassungen von Mitarbeitern so weit es geht vermieden werden können.
Man kann diesen positiven Dialog nur loben und hoffen, dass er auch in Zukunft in diesem Ton fortgesetzt wird. Alle sind sich einig, dass die Zukunft nicht gerade rosig aussieht und die Rolle der Wirtschaft in dieser Hinsicht von entscheidender Bedeutung ist, denn sie ist der Motor, der das reale Leben der Gesellschaft aufrechterhält und antreibt. Letzten Endes muss sie den Preis für die Rettung der Nation und des Staates zahlen. Einen wesentlichen Beitrag können auch die uns von der EU zugesagten 812 Millionen Euro dazu leisten. Darüber hinaus hat Bulgarien nach der Ankündigung der Investitionsinitiative in Reaktion auf das Coronavirus 546 Millionen Euro aus den europäischen Struktur- und Investitionsfonds noch nicht abgerufen.
Anstatt ein Wachstum zu verzeichnen, wird unser Land genau wie viele andere in Europa vermutlich in eine Rezession geraten. Und dann müssten eine ganze Reihe öffentlicher Investitionsprojekte verschoben, aufs Eis gelegt oder endgültig aufgegeben werden, die eigentlich den Privatunternehmen einen Lebensunterhalt sichern und die Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte mit gutem Entgelt erforderlich machen sollten.
Fotos: BTA
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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