Die selbst für Archäologen unzugängliche und unbekannte römische Festung Petritsch Kale ist auf dem besten Weg, zur neuen Touristenattraktion zu avancieren. Sie befindet sich in diametral entgegengesetzter Richtung zur gleichnamigen Stadt Petritsch in Südwestbulgarien. Petritsch Kale liegt unweit der bulgarischen Schwarzmeermetropole Warna, nur 20 Minuten Fahrt von ihr entfernt.
Petritsch Kale wurde am Rande des Awren-Plateaus errichtet und bietet einen wunderschönen Ausblick auf das gesamte Dewnja-Tal und auf das Tal des Prowadija-Flusses.
„Von dort aus kann man den Blick weit nach Norden schweifen lassen bis hin zu den Gebieten, aus denen mögliche Angreifer kommen könnten, und genau aus diesem Grund war die Festung im Mittelalter bewohnt", erklärt die Archäologin Maria Manolowa-Wojkova. Sie ist Leiterin der Ausgrabungen und Forschungen, die in den letzten 2-3 Jahren dort durchgeführt werden.
„Die Einheimischen glauben, dass die Festung von König Peter I. (der zwischen 927 und 969 regierte) geschaffen wurde. So ist sie in Sagen und Legenden enthalten, die im 20. Jahrhundert dokumentiert wurden. Beim Betrachten der Festung und ihres Standorts muss man feststellen, dass der Stein darin dominiert. Wir denken, dass der Name Petritsch vom griechischen Wort „Petros“ (Stein) abgeleitet ist. Die Festung stammt aus einer viel früheren Zeit und sollte nicht allein mit dem bulgarischen Mittelalter in Verbindung gebracht werden. Sie stammt wahrscheinlich aus der späten Römerzeit und diente dem Schutz von Marcianopolis – einer der damals größten römischen Städte in unseren Landen. Das Missverständnis, dass die Festung aus dem Mittelalter stammt, beruht auf der Tatsache, dass Petritsch Kale hauptsächlich in historischen Quellen verschiedener westeuropäischer Autoren auftaucht, die sich auf den Kreuzzug von Wladislaw Warnentschik im Jahr 1444 beziehen. Aber auch im Mittelalter behielt diese Festungsstadt ihre strategische Bedeutung bei. Die erste Erwähnung von Petritsch Kale stammt aus dem 12. Jahrhundert, als ein arabischer Geograf den Standort der Festung beschreibt: auf der Straße von Weliki Preslaw nach Warna. Im 15. Jahrhundert richteten viele westeuropäische und osmanische Autoren den Blick auf die Festung. Diese beschrieben sie als große Stadt mit sehr solider Befestigung.“
Die Ausgrabungen von Petritsch Kale befinden sich in einer sehr frühen Phase, sagt Maria Manolowa-Wojkova. Jedes Jahr wird etwas mehr Licht auf die Chronologie und das architektonische Erscheinungsbild von Petritsch Kale geworfen. „Je mehr Informationen zusammenkommen, desto mehr wird das Interesse von Historikern, aber auch von Touristen geweckt. Es handelt sich hier um ein Objekt, das in einem sehr guten Zustand erhalten ist“, betont die Archäologin.
„Während dieser Saison haben wir einen der Türme der Festung erforscht. Zu unserer Überraschung sind die Anlagen mit einer Höhe von bis zu 4-5 Metern perfekt erhalten“, sagt Maria Manolowa-Wojkova. „Sehr interessant ist der Eingang zum Turm, die Tür und der Bogen darüber sind gut erhalten. Dаs war eine große Überraschung für uns alle. Das gesamte Awren-Plateau besteht aus Kalkstein, der sich leicht bearbeiten lässt. Alles in der Festung wurde von Menschenhand gemacht. Und es gibt eine bemerkenswerte Treppe, die als Geheimgang in den Felsen gehauen wurde. Sie hat uns mit ihrer Größe und ihren Stufen in Staunen versetzt, weil sie so aussehen, als wären sie nicht von Menschen gemacht. Im Zentrum der Festung ist eine riesige Zisterne zu sehen, die auf die gleiche Weise in den Felsen gehauen wurde. Archäologen haben ausgerechnet, dass mehr als 700 Kubikmeter Wasser darin gespeichert werden konnten, so dass auch bei längeren feindlichen Belagerungen lange Zeit für Trinkwasser gesorgt war.
Die Festung sollte von Touristen besucht werden, denn sie ist eines der wenigen Beispiele, insbesondere nördlich des Balkangebirges, wo das Leben im Laufe langer Jahrhunderte nie aufgehört hat – angefangen in der Römerzeit bis ins späte Mittelalter hinein. Darüber hinaus ist sie intakt geblieben und musste dank ihrer geografischen Lage nicht als Baumaterial herhalten, welches Schicksal die meisten in der Ebene liegenden bulgarischen Hochburgen wie Preslaw und Pliska erlitten haben und heutzutage fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt sind.“
Übersetzung: Rossiza Radulowa
Fotos: bg.wikipedia.org и archaeo.museumvarna.com
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