Das Sofioter Opernhaus ehrte den bedeutenden bulgarischen Dirigenten Russlan Rajtschew mit einem Gala-Konzert, auf dem Ausschnitte von Werken erklangen, die er im gleichen Saal, aber auch im Ausland dirigiert hat. Vor dem Konzert wurde ein Dokumentarfilm über Russlan Rajtschew gezeigt, den sein Sohn, Petar Rajtschew, gedreht hat.
„Ich wusste mich bei ihm sicher“, sagte die bulgarische Opernprima Rajna Kabaiwanska. Ähnliche Gedanken äußern im Film auch die Opernsängerinnen Anna Tomowa-Sintow und Blagowesta Karnobatlowa sowie der Geiger Mintscho Mintschew. Gezeigt werden ferner Aufnahmen von seiner Zusammenarbeit mit Mirella Freni, José Carreras, Piero Cappuccilli, Georgiev Ghiaurov, Ghena Dimitrova und anderen namhaften Sängern und Instrumentalisten.
„Er war ein wunderbarer Dirigent, meinen alle, die mit ihm zusammengearbeitet haben“, sagt sein Sohn Petar Rajtschew. „Mein Vater war sehr emotional, verschmolz förmlich mit der Musik und was eins mit den Interpreten. Er atmete im gleichen Rhythmus wie die Interpreten; sie schwebten mit ihm wie auf Flügeln.“
Der Vater von Russlan Rajtschew – Petar Rajtschew, war ein bemerkenswerter Tenor, der in ganz Europa sang; die Mutter entstammte einer aristokratischen Familie aus der Ukraine. Russlan Rajtschew kam in Mailand zur Welt; die ersten 13 Jahre seines Lebens verbrachte er in Italien.
„Mein Großvater war mit Pietro Mascagni, Umberto Giordano und Titta Ruffo und Fjodor Schaljapin befreundet; häufige Gäste des Hauses waren Arturo Toscanini, Bruno Walter, Sergei Prokofjew und andere Persönlichkeiten. Im Alter von 6 Jahren begann mein Vater Klavier zu lernen und mit 10 besuchte er bereits die Mittelstufe des Mailänder Konservatoriums. Nach Bulgarien zurückgekehrt lernte er am Deutschen Gymnasium, das er 1936 beendete. Er bewarb sich an der Musikakademie um ein Studium im Fach Dirigieren und an der Sofioter Universität, an der er dann zwei Jahre Jura studierte, da man ihn in der Akademie nicht angenommen hatte. 1938 wurde er am Wiener Konservatorium angenommen, wo er bei Leopold Reichwein Dirigieren lernte und Klavier bei Emil von Sauer, dem letzten lebenden Schüler von Franz Liszt. Im dritten Studienjahr engagierte ihn der bedeutende Dirigent Karl Böhm als Assistenten an der Staatsoper. Mein Vater sagte, dass er alles, was er über das Dirigieren wusste, von ihm gelernt hatte“, sagte sein Sohn Petar Rajtschew.
Während des Zweiten Weltkrieges war Russlan Rajtschew bemüht, die Musikkultur Bulgariens aufrechtzuerhalten. Er wirkte als Repetitor und bald als Dirigent an der Sofioter Oper, wurde Chefdirigent des Staatlichen Symphonieorchesters des Opernhauses von Warna, das er zusammen mit seinem Vater gründete. 1951 wurde er Chefdirigent des Staatlichen Symphonieorchesters von Plowdiw und zwei Jahre später legte er erneut mit seinem Vater den Grundstein für die Philharmonie und Oper in Russe. Von 1959 bis 1974 arbeitete er wieder als Dirigent an der Sofioter Oper und wurde danach als Chefdirigent des neugegründeten Opernhauses in Flensburg engagiert. Obwohl er dort ausgezeichnete Bedingungen hatte, kehrte er vier Jahre später nach Bulgarien zurück, wo er künstlerischer Leiter der Sofioter Oper wurde. Mit verschiedenen Operninszenierungen war er in Österreich, der Schweiz, dem ehemaligen Jugoslawien und in Rumänien auf Tournee. Russlan Rajtschew war ferner der erste Bulgare, der als Gastdirigent von der Mailänder Skala, der Grand Opera in Paris, dem Bolschoi-Theater und den Opernbühnen in Rom, Neapel, München, Stockholm u.a. eine personelle Einladung erhalten hat. In Frankreich erhielt die Insignien eines Kavaliers im Orden für Kunst und Literatur. 1992 leitete er erneut das Sofioter Opernhaus und arbeitete 1993/94 gleichzeitig als Chefdirigent des Symphonieorchesters des Bulgarischen Nationalen Rundfunks.
Russlan Rajtschew dirigierte selbst im Alter von 85 Jahren noch. Im biographischen Buch über ihn, verfasst von seinem Sohn, wird die Zahl von über 2.000 Symphoniekonzerten und 1.800 Bühnenwerken genannt; die Aufnahmen gehen in die Hunderte. Man kann sich nur schwer vorstellen, was sich für eine Kraft und Liebe zur Kunst hinter diesen trockenen Zahlen verbergen. Anlässlich seines 80. Geburtstages dirigierte er das Symphonieorchester unseres Hauses. Vor dem Publikum sagt er: „Mein ganzes Leben stand im Dienst der Musik, im Dienst Bulgariens! Überall auf der Welt schrieb die Presse: „Ein Bulgare steht am Pult!“ Das wichtigste ist aber, dass ich mit ganzem Herzen dem Publikum gedient habe!“
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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