Nachdem er das soeben aufgegangene Brot in den Ofen geschoben hat, wirft der junge Brotbäcker Lyubomir Zdhekov einen Blick in die Zeit zurück, als er seine Berufung entdecke – Brot aus bulgarischem Dinkel mit Sauerteig zu machen.
„Meine Familie hatte im Laufe von vier-fünf Jahren bulgarischen großkörnigen Dinkel im Raum Russe angebaut. Wir haben das Korn danach in Steinmühlen gemahlen und zu Hause Sauerteig aus Dinkelmehl angesetzt. Das Brot daraus haben wir unter Freunden und Nachbarn verteilt. Sie haben großen Gefallen daran gefunden und meinten, es würde ganz anders schmecken als das Brot aus dem Laden“, erinnert sich Lyubomir Zdhekov.
Seit seinen ersten Versuchen im Jahr 2015 hat er sehr wertvolle Erfahrungen gesammelt und ist inzwischen angesehener Bäckereimeister in Russe.
„Ich bin 31 Jahre alt. Wir haben im Zentrum von Russe eine kleine Produktionshalle und ein kleines Geschäft. Anfangs war unser Brot vollkommen von Hand gemacht, ohne Brotmischer und Mixer. 2013 und 2018 habe ich jeweils im Laufe von zwei Wochen in Boutique-Bäckereien in Sofia als Lehrling gearbeitet. Dort habe ich Einblick in viele Feinheiten der Bäckereikunst erhalten“, erzählt Lyubomir Zdhekov.
Seiner Ansicht nach hängt der einmalige Geschmack frisch gebackenen Brotes von der Fermentation ab. Der Sauerteig, den seine Familie macht, ist ein natürliches, lebendiges Produkt. Er enthält Säurebakterien und Hefen, die für die Verdauung und den Magen-Darmtrakt gut sind.
„Man wird von wenig Brot satt, insbesondere wenn es aus Dinkel-, Emmer-, Roggen-, Spelz- und Buchweizen- Vollkorn gemacht ist. Denn diese Getreidesorten enthalten einen extrem hohen Nährwert und Stoffe, die unser Körper braucht. Im Unterschied zur Hefe reift der Sauerteig sehr langsam. Hier gilt die goldene Regel: Je langsamer, desto besser wird das Brot“, sagt Lyubomir Zdhekov.
Der junge Bäckermeister experimentiert gern und probiert immer wieder neue Sachen aus:
„Aus dem Sauerteig machen wir lediglich Brot. Alle anderen Backwaren werden aber ebenfalls von Hand gemacht. Einen Teil der Rezepte haben wir zusammengestellt, andere haben wir von unseren Müttern und Großmüttern übernommen. Wir bereiten mehrere Sorten Brot zu: helles Bauernbrot mit Roggenkeimen, dänisches Vielkornbrot, 100prozentiges Spelzbrot aus weißem oder Vollkornmehl, Mischbrot, Roggenbrot und Grau- oder „Volksbrot“.
Sehr extravagant und exzentrisch sieht unser Schwarzbrot mit Aktivkohle aus. Es wird aus mehreren Mehlsorten unter Zugabe von Aktivkohlepulver zubereitet und ist pechschwarz – innen wie außen. Dieses Brot hat seinen Ursprung in Asien und hat es dann über die USA und Westeuropa nach Bulgarien geschafft. Es wird seit ungefähr zwei Jahren in Sofia, Plowdiw und Warna angeboten und in Russe sind wir die ersten, die es machen.“
Lyubomir Zdhekov arbeitet im Familienunternehmen mit seinen Eltern zusammen. „Meine Mutter hilft mir im Geschäft mit dem Verkauf unserer Waren. So kann ich mich mehr der Brotzubereitung widmen. Alles in meinem Leben habe ich der Familie zu verdanken“, sagt Lyubomir.
Wie kann aber ein junger Bäcker der riesigen Brotindustrie die Stirn bieten?
„Ich kämpfe gegen niemanden an. Ich wetteifere nur mit mir selbst – das ist der größte Kampf eines jeden Menschen. Ich habe eine vollkommen negative Haltung, was die industrielle Brotproduktion angeht. Meiner Meinung nach sollten die Menschen echtes Handwerksbrot essen und nicht Industriebrot. Das Mehl sollte aus selektiertem Korn sein, das gut und richtig gemahlen wird und nicht aus Futterweizen, aus dem derzeit 70 Prozent des Brotes in Bulgarien hergestellt werden. Es muss eine enge Verbindung zwischen Bauer, Mühler und Bäcker geben, um den Prozess zu verbessern und Fehler zu beseitigen. In Bulgarien ist diese Kette aber vor langer Zeit gerissen. Momentan gelingt es mir, eben diese Verbindung wieder herzustellen und das macht mich sehr glücklich“, gesteht der junge Bäcker.
Auf die Frage, was er vom Brot gelernt hat, meinte er:
„Es hat mich als Menschen verändert. Es hat mir Geduld beigebracht und gezeigt, dass die Dinge weder schnell und noch einfach passieren. Es braucht viel Fleiß und Ausdauer. Man begeht Fehler, erlebt Rückschläge, doch darf man nicht aufgeben, sondern sollte daran arbeiten, sich selbst und seine Produkte zu vervollkommnen. Das macht die wahre Entwicklung aus“, sagte Lyubomir Zdhekov, während er eine neue Ladung duftenden Brotes aus bulgarischem Dinkel mit Sauerteig aus dem Ofen zog.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
Fotos: PrivatarchivMan sagt, dass man einen Ort nicht nur mit den Augen sehen, sondern auch mit dem Gaumen schmecken muss, um ihn kennen zu lernen. Jedes bulgarische Dorf, jede Stadt oder Region hat ihren eigenen Duft und ihr eigenes Aroma. Eine der Möglichkeiten, sie..
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