Mitte des Sommermonats August wird in Bulgarien die Gottesmutter besonders geehrt. Von all den Marienfesten steht am 15. August die „Entschlafung der allerheiligsten Gottesmutter und Immerjungfrau Maria“ im Mittelpunkt. Es wird an ihren Tod erinnert, der von den orthodoxen Kirchen als „Entschlafung“ bezeichnet wird, während die katholische Kirche in der unmittelbar darauf folgenden Himmelfahrt Marias das wichtigere Ereignis sieht.
Drei Tage zuvor sei Erzengel Gabriel der Jungfrau erschienen und habe ihr Ableben angekündigt – ihre Seele werde in drei Tagen ins Himmelreich aufgenommen werden. Alte Legenden wissen zu berichten, wie sich alle zu jener Zeit noch lebenden Apostel Christi an ihrem Totenbett versammelt haben. Nur der heilige Thomas habe sich verspätet. Als er nach drei Tagen ankam und sich an ihrem Grab verneigen wollte, habe er die Gruft, in der die Gottesmutter beigesetzt worden war, leer vorgefunden. Er fand nur das Leichentuch vor, in das man sie gewickelt hatte. Die heilige Maria war wie der Gottessohn auferstanden.
Am 15. August strömen die Gläubigen in die Kirchen, um vor den Ikonen der Gottesmutter zu beten und sie um Beistand, Gesundheit und Heilung sowie um Nachwuchs und Liebe zu bitten. Dort wo es Kirchen und Klöster gibt, die den Namen der Jungfrau Maria tragen, finden Volksfeste statt. Es wird eine Opferlammsuppe zubereitet, die an die Anwesenden verteilt wird.
In Bulgarien gibt es etwas mehr als 100 Kirchen, die dem Entschlafen Marias geweiht sind. Unter ihnen ist die Kirche des Rhodopen-Dorfes Schirika Laka.
Links neben dem Eingang ist folgende Inschrift zu lesen: „Dieses wunderbare Gotteshaus wurde vom ganzen Dorf in 38 Tagen und unter der Leitung von Todor Palamartschow errichtet – zu Ehren, Ruhm und Beständigkeit des Dorfes und des Volkes.“
„Die örtliche türkische Verwaltung /in der Zeit der Errichtung der Kirche stand Bulgarien unter osmanischer Fremdherrschaft – Anm. d. Red./ versuchte den Bau zu vereiteln und es ist überliefert, dass den Bewohnern eine 40tägige Frist für den Bau gesetzt wurde; bis dahin musste das Gebäude stehen und überdacht sein. Falls sie es nicht schaffen sollten, hätte das Gebäude wieder abgerissen werden müssen“, erzählt Vater Iwan Marinski. „Ich weiß nicht, inwieweit das wahr ist, denn man kann es sich nur schwer vorstellen. Selbst heute stellt der Bau eines solch großen Gebäudes, wie es unsere Kirche ist, eine Herausforderung dar. Man darf aber auch den Glauben der Menschen nicht unterschätzen, der zuweilen Wunder vollbringen kann. In den Chroniken wird davon berichtet, dass die Dorfbewohner ununterbrochen - am Tage und während der Nacht gearbeitet haben. Es kann sich also durchaus so zugetragen haben.“
Die Kirche in Schiroka Laka entstand im Jahre 1834. Sie ist 19 Meter lang und 12 Meter breit mit einer Mauerdicke von einem Meter. Es beeindrucken jedoch nicht nur die Ausmaße, sondern auch die Innengestaltung. Die Ikonostase ist ein Werk der Schüler der Ikonenmaler Dimitar und Sacharij Sograf aus Samokow.
Auf beiden Seiten trennen jeweils 4 Pfeiler mit einer Höhe von 6 Metern das Haupt- von den Seitenschiffen. Das Dach besteht aus großen Steinplatten, wie es in den Rhodopen üblich ist, während die massiven Holztüren mit Eisen beschlagen sind, um das Gotteshaus vor Raubüberfällen zu schützen.
In unmittelbarer Nähe befindet sich die alte Zellenschule, die momentan restauriert wird. Sie ist wie die Kirche historisch wertvoll und bildet mit ihr eine architektonische Einheit. Sie ist übrigens die erste Schule in Schiroka Laka gewesen.
Nun soll ihr ehemaliges Aussehen wiederhergestellt werden, erklärte uns Vater Iwan. Kirche und Schule sind von einer hohen Mauer umgeben, die sie vor Überschwemmungen des Flusses schützt, der durch das Dorf fließt.
Das Dorf selbst erhebt sich malerisch an den Hängen zu beiden Seiten des Flusses. In ihm leben heute nicht mehr als 500 Menschen. Zu den großen Festen kommen aber auch viele aus den benachbarten Ortschaften. Nur an gewöhnlichen Sonntagen könne man laut dem Priester Iwan Marinski einschätzen, wie viele Gläubige im Dorf leben.
„Das Kirchenleben besteht hauptsächlich aus den Gottesdiensten, die auch regelmäßig in unserer Kirche abgehalten werden“, erzählt Vater Iwan. „Eine Sonntagsschule haben wir jedoch nicht. Einerseits reicht mir die Zeit nicht, denn ich bin auch für andere Kirchen in der Region verantwortlich und andererseits gibt es einfach nicht genügend Kinder hier. Schiroka Laka ist ein kleiner Ort und es fehlt an dem passenden Broterwerb, um die jungen Menschen von der Abwanderung abzuhalten. Es ist verständlich, dass sie ihre Kinder nicht hier aufziehen, sondern in den größeren Städten, wo sie Arbeit finden. Das ist nicht nur bei uns in Bulgarien so. Ich diene seit 11 Jahren als Priester an dieser Kirche und muss sagen, dass früher zum Gottesdienst am Sonntag zwischen 30 und 40 Menschen kamen; heute sind es lediglich 5 bis 7 Dorfbewohner, was die Lage sehr gut beschreibt.“
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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