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Prof. Iwan Iltschew: Sofia und Skopje bedürfen neuer Wege der Zusammenarbeit

Foto: BGNES

2017 unterzeichneten Bulgarien und Nordmazedonien einen Freundschaftsvertrag, zumal die Gesundung der Beziehungen zwischen beiden Ländern als Voraussetzung zur Aufnahme von EU-Beitrittsgesprächen mit Nordmazedonien angesehen wird. Auf der Grundlage des Freundschaftsvertrages wurde eine gemeinsame Kommission gebildet, die die historischen und Bildungsfragen lösen soll, die sich als Probleme in den Beziehungen erweisen. Die Kommission kam in Bezug auf das Mittelalter voran, begann aber hinsichtlich der Neuzeit auf der Stelle zu treten. Die bulgarische Außenministerin Ekaterina Sachariewa appellierte an die Historiker, Fortschritte zu erzielen, damit sich die europäischen Perspektiven vor Skopje eröffnen. Über die Tätigkeit der Kommission unterhielten wir uns mit Prof. Dr. Iwan Iltschew:

Uns am Tisch gegenüber sitzen Menschen, die sich in den letzten 20 bis 40 Jahren als Experten heranbildeten. Ihnen fällt es schwer, eine Kehrtwende zu machen und anzuerkennen, was in den Quellen steht“, sagt der Historiker. „In Mazedonien wird seit 100 Jahren eine ganz zielgerichtete Politik betrieben und für jeden Politiker ist es für seine politische Zukunft gefährlich, sich mit einem Mal gegen diese Politik zu stellen. Das, was der Staatspräsident Nordmazedoniens Stevo Pendarovski gegenüber der historischen Persönlichkeit Gotze Deltschew gesagt hat, ist ein enorm großer Schritt vorwärts. Pendarovski gab zu, dass Gotze Deltschew ein Bulgare war. Natürlich fügte er hinzu, dass er für ein selbstständiges Mazedonien gekämpft habe, was objektiv betrachtet richtig ist, da die Anführer der IMRO nicht mehr die Hoffnung hatten, dass Mazedonien an Bulgarien angeschlossen werden kann und seine Zukunft eher als einen autonomen Staat sahen.

Bestehen irgendwelche Erfahrungen in der Europäischen Union in Bezug auf die Beilegung ähnlich gelagerter Streitfälle?

Zufällig erfuhren wir, dass sich an der Kommission von mazedonischer Seite als Berater zwei westeuropäische Experten beteiligen. Ich habe stets unterstrichen, dass man keine Parallelen zur Deutung der Geschichte anstellen kann, wie es Deutschland und Frankreich, oder Deutschland und Polen gemacht haben, weil es sich um verschiedene Völker und eine unterschiedliche Geschichte handelt. Bei uns handelt es sich um ein Volk, das im Laufe der Zeit wegen politischer Machenschaften leider in zwei Teile gespalten worden ist. Falls wir dennoch nach Parallelen suchen, so könnte man Griechenland und Zypern, Rumänien und Moldawien sowie Albanien und Kosovo, Serbien und die Republika Srpska, Kroatien und die Kroatisch-moslemische Föderation zum Vergleich heranziehen.

Die bulgarische Außenministerin setzte der Kommission ein Ultimatum, bin Ende dieses Jahres Fortschritte in ihrer Arbeit zu erzielen. Ist das machbar?

Ich persönlich wollte die Kommission verlassen, weil die mazedonische Seite die Arbeit absichtlich verzögert. Nach der letzten Zusammenkunft haben sich jedoch die Dinge etwas verändert“, sagte Prof. Dr. Iwan Iltschew. „Wir können die Frage nicht lösen und unsere Unterschrift so ohne Weiteres darunter setzen, als ob wir das Fundament auf der historischen Wahrheit gesetzt gaben. Die historische Wahrheit ist leider recht flexibel und lässt verschiedene Interpretationen zu. So z.B. versuchen die mazedonischen Mitglieder der Kommission, postmoderne Argumente anzubringen, wie z.B., dass es im Mittelalter keine Ethnien im heutigen Sinne gegeben hat. Dafür gibt es aber zureichend viele gute Beispiele, als was sich die Bewohner des mittelalterlichen Bulgarien bezeichnet haben. Sie wussten, dass sie Bulgaren waren. Beispielsweise wird von mazedonischer Seite über den Zaren Samuil zwar zugegeben, dass er ein bulgarischer Herrscher gewesen ist, er selbst aber höchstwahrscheinlich kein Bulgare war. Die bulgarische Geschichtswissenschaft bestreitet das auch nicht. Es herrscht die Meinung vor, dass er armenischer Herkunft gewesen ist. Das hat jedoch für den Staat keinerlei Bedeutung. Betrachtet man sich die neuere Geschichte: Zar Ferdinand I. von Bulgaren war ja auch kein Bulgare, da er aus dem Hause derer von Sachsen, Coburg und Gotha abstammt. Er war aber zuerst bulgarischer Fürst und danach bulgarischer Zar. Und so war auch Samuil Zar über Bulgarien und nicht über Mazedonien.“

Besteht nicht die Gefahr, dass ihre Kollegen aus Nordmazedonien eines Tages sagen: „Wir standen unter politischem Druck!“ und alles Vereinbarte negieren?

Der Vertrag besteht aus 14 Punkten und nahezu 45 Unterpunkten und Absätzen. Nur ein einziger Punkt betrifft die Arbeit der Kommission und alle konzentrieren sich wie hypnotisiert einzig darauf. Bereits auf der ersten Zusammenkunft haben wir gesagt, dass die Geschichtsbücher ausgesprochen wichtig sind; nicht minder wichtig ist jedoch das Medienumfeld. In Nordmazedonien ist das Medienumfeld laut Aussagen von Botschafter Angel Angelow verhältnismäßig besser. Dort erscheinen nunmehr weniger antibulgarische Veröffentlichungen. Und das ist in gewisser Weise ermutigend. Das Umfeld muss sich jedoch ändern. Ich denke, dass die Reisen zwischen beiden Ländern ausgesprochen wichtig sind und darauf muss hauptsächlich akzentuiert werden, nämlich auf die Infrastruktur. Es ist leider so, dass wir nach Skopje, das 208 Kilometer entfernt ist, ganze 5 Stunden brauchen. Angesichts des schlechten Straßenzustandes können nur schwer Kontakte zwischen den Menschen beider Länder geknüpft werden. Das gilt auch für die Wirtschaft. Leider ist im ersten Jahresquartal 2019 ein Rückgang im Wirtschaftsaustausch zu bemerken und das trotz aller Absichtserklärungen. Es ist auch ein Rückgang der Besucherzahlen zu verzeichnen.“

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow



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