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Novellen im Gesetz über die Konfessionen sorgen für Spannungen mit der Türkei

Fotos: BGNES

Gestern spätabends wurde bekannt, dass Außenministerin Ekaterina Sachariewa angeordnet hat, den türkischen Botschafter in Sofia Hassan Ulusoy in das Außenministerium zu berufen. Der Anlass dafür: ein Statement des türkischen Außenministers Mevlüt Çavuşoğlu. Er sagte, Ankara habe sich in die Ausarbeitung der Novellen im Gesetz über die Konfessionen in Bulgarien eingemischt.

Außenministerin Sachariewa hat in einem Telefongespräch mit ihrem türkischen Amtskollegen das Problem bereits besprochen. „Bulgarien kann die Einmischung eines anderen Staates in seine gesetzgebenden Prozesse nicht akzeptieren und eine solche Einmischung wurde auch nicht zugelassen“, lautete eine Mitteilung des Pressezentrums des bulgarischen Außenministeriums.

Die an der Regierung beteiligte Partei WMRO verlangte eine Anhörung des Außenministers durch das Parlament zu dieser Problemstellung. Denn es handelt sich dabei um eine nicht nur für die Politiker, sondern auch für die Öffentlichkeit hochsensible Frage. Davon zeugen etliche Beiträge in den Printmedien mit Überschriften wie: „Bulgarien ändert auf Forderung der Türkei sein Konfessionsgesetz“ (in der Tageszeitung „Sega“) oder „Türkischer Minister prahlt, er habe durchgesetzt, dass Bulgarien das Geld aus Ankara für die Moslems nicht verbietet“ (in der Tageszeitung „24 Stunden“). Zu vermerken ist dabei die Tatsache, dass das Großmuftiat in Bulgarien selbst die neu verabschiedeten Gesetzesnovellen begrüßt hat. Dank der Änderungen im Gesetz wird nicht nur die Zahlung der Schulden der islamischen Konfession an den bulgarischen Staat auf zehn Jahre ausgedehnt, sondern es wird ihr auch die Möglichkeit eingeräumt, eine Finanzierung aus dem Ausland zu erhalten.

Zu einer Eskalation ist es kurz vor den Kommunalwahlen in der Türkei und in einer angespannten politischen Lage in Bulgarien im Zusammenhang mit den in zwei Monaten anstehenden Europawahlen gekommen. Genau wie vor zwei Jahren im März 2017, am Vorabend der Parlamentswahlen in Bulgarien und des Referendums in der Türkei, als Bulgarien seine Botschafterin in Ankara Nadeschda Nejnski nach Sofia beordert hat, weil sich der türkische Außenminister zugunsten einer bulgarischen Partei ausgesprochen hatte, was als Einmischung in die inneren Angelegenheiten unsers Landes ausgelegt wurde. Am selben Tag, an dem Botschafterin Nejnski nach Bulgarien berufen wurde, hat ein Bürgermeister im Südwesten der Türkei die bulgarischen Auswanderer dort aufgerufen, am 26. März derart zu votieren, dass die Türken in Bulgarien gestärkt werden und Türkisch als offizielle Sprache anerkannt wird. Politische Beobachter kommentierten damals, „die wachsende politische Unverfrorenheit offizieller und nicht offizieller Vertreter der Türkei, die gegen die Souveränität Bulgariens gerichtet ist“, habe eine ganze Reihe von Gegenmaßnahmen seitens der bulgarischen Institutionen heraufbeschworen.

Für starke Spannungen sorgte im August 2013 auch eine inoffizielle Visite des türkischen Vizepremiers Bekir Bozdag in Bulgarien. Das bulgarische Außenministerium wurde lediglich von der türkischen Botschaft in Sofia über die Visite von Bozdag in Kenntnis gesetzt. Bulgarische Journalisten wurden dazu nicht zugelassen. Damals meinte der türkische Vizepremier, die Architekturdenkmäler aus osmanischen Zeiten seien in einem desolaten Zustand, so dass Ankara nach Möglichkeiten suchen werde, sich um sie zu kümmern. In Reaktion auf diese Äußerung erklärte der bulgarische Kulturminister Petar Stojanowitsch, die Frage über die für gemeinnützige Endzwecke gestifteten Besitztümer des Wakaf sei zwischen dem Königreich Bulgarien und dem Osmanischen Reich bereits 1909 geregelt und somit abgeschlossen worden.

Zu Spannungsepisoden kommt es zwischen Sofia und Ankara zwar nicht allzu oft, doch ihre Heftigkeit und die hohe Sensibilität der Öffentlichkeit dafür verleihen ihnen eine Brisanz, die zu ernsthaften Problemen in den normalerweise guten bilateralen Beziehungen führen kann. Die jüngste Episode ist immer noch nicht abgeschlossen und es bleibt abzuwarten, was für reale Folgen sie nach sich ziehen wird.

Übersetzung: Rossiza Radulowa



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