Ist mit einer neuen Weltkrise zu rechnen – egal ob Wirtschafts-, Schulden oder Finanzkrise und wie würde sich ein derartiges globales Desaster auf unser Land auswirken? Antworten auf diese Frage haben gestern Wirtschaftswissenschaftler, Geschäftsleute und Führungsvertreter gesucht. Sie debattierten darüber im Rahmen von Rundtischgesprächen, die von der Hochschule für Versicherungen und Finanzen organisiert wurde. Eine einheitliche Meinung diesbezüglich konnten die Gesprächspartner allerdings nicht erzielen.
Während sich in Europa in diesem Jahr eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Kennzahlen abzeichnet, setzt sich in Bulgarien der entgegengesetzte Trend durch. Das ging aus den Worten der bulgarischen Vizepremierin für Wirtschafts- und demogaphische Politik Mariana Nikolowa hervor.
„Laut den Prognosen sollten wir in Europa 2019 mit einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums rechnen. Vor diesem Hintergrund erwartet man in Bulgarien einen leichten Anstieg des Wirtschaftswachstums. Jüngsten Eurostat-Angaben zufolge schneidet unsere Wirtschaft derzeit besser ab als der EU-Durchschnitt. Andererseits ist ein zügigeres Tempo notwendig, um aufholen und den Lebensstandard in Westeuropa erreichen zu können“, betonte Vizepremierin Mariana Nikolowa.
Am optimistischsten fiel die Prognose von Vize-Wirtschaftsminister Latschesar Borissow aus. Er zeigte sich zuversichtlich, dass in Bulgarien in den kommenden zwei, drei bis Jahren keine Wirtschaftskrise ausbrechen wird, solange auch der Rest der Welt vor einer globalen Krise verschont bleibt. Unser Land nähere sich dem Höhepunkt seines Wirtschaftswachstums an, weshalb es sich darauf einstellen sollte, sich in wenigen Jahren vor ein Wirtschaftsdesaster gestellt zu sehen, ergänzte er.
„Es gibt da eine ganze Reihe von regionalen Trends, die globale Auswirkungen haben, nehmen wir zum Beispiel den Zustand der chinesischen Wirtschaft oder den Brexit“, erklärte Vize-Wirtschaftsminister Latschesar Borisow. „Hier wittere ich eher Möglichkeiten, neue Investitionen heranzuziehen, weil regionale Firmen Interesse an Bulgarien bekunden. Genannt seien auch die Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine. In dieser Hinsicht sollten wir äußerste Vorsicht walten lassen, da übermäßige Sanktionen sich direkt auf die bulgarische Wirtschaft auswirken könnten. Als EU-Mitglied sind wir natürlich bemüht, das zu verhindern. Tatsache jedoch ist, dass wir von den Energielieferungen abhängig sind. Aus lokaler Sicht wiederum könnten die Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo problematisch für uns werden.“
Globalisierung oder Regionalisierung – so lautet die Frage aus wirtschaftlicher Sicht, ist Latschesar Borissow überzeugt.
„Ich gehe davon aus, dass wir von Regionalisierung sprechen werden. Wir könnten viel stabiler dastehen, falls wir uns regional und mit der EU zusammentun. Aus eben diesem Grund haben wir das Thema über unseren Beitritt zum Euroraum auf die Agenda gebracht. Vorteilhaft für uns sind derzeit das nachhaltige Wirtschaftswachstum im Land – 2019 rechnet man mit einem Wirtschaftswachstum von 3,7 Prozent in Bulgarien, das gute Kreditranking unseres Landes und die Tatsache, dass wir in puncto Finanzstabilität EU-weit auf Platz drei rangieren“, erläuterte Vize-Wirtschaftsminister Borissow.
Daniela Bobewa, die den Hauptbericht vorgetragen hat, scheint den Optimismus der Regierungsvertreter allerdings nicht zu teilen.
„Falls wir einen x-beliebigen Passanten auf der Straße ansprechen und von ihm wissen wollen, ob sich eine neue Krise anbahnt, wird er uns ins Gesicht lachen und sagen: Wir stecken seit 30 Jahren in einer Krise“, sagte sie. Sie wertet den Rückgang des Wirtschaftswachstums auf 2,7 Prozent im dritten Quartal 2018 und das neue Wachstumsmodell, das von der Binnenmarktnachfrage abhängt, als Symptome einer sich anbahnenden Krise in Bulgarien. „Knapp 45 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wird von multinationalen Unternehmen erzeugt und wir können auch aus dieser Richtung mit bösen Überraschungen und Schocks rechnen“, mahnt die Wirtschaftsexpertin. Sie geht von drei möglichen Szenarien für Bulgarien aus:
„Die schlimmste Variante, die uns frühestens im nächsten Jahr widerfahren könnte, hängt von der Entscheidung der Europäischen Zentralbank und der Europäischen Kommission ab, ob unser Land in den sogenannten Euro-Warteraum kommt. Die zweite Gefahr lauert in einer eventuellen Rezession in der Eurozone und die dritte hängt mit einer potentiellen wirtschaftlichen oder politischen Instabilität in Bulgarien zusammen. Sollte sich eines dieser Risiken zu tatsächlichen Ereignissen entwickeln und sollte es zu einem weiteren Rückgang der Exporte kommen, dann würde uns dies 2020 tatsächlich in eine Krise und Rezession stürzen“, prognostiziert Daniela Bobewa.
Falls wir uns aber die rosarote Brille aufsetzen, können wir ein Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent in diesem und im kommenden Jahr, bzw. unsere Aufnahme in den Wechselkursmechanismus II. sehen und daraus resultierend – einen Wirtschaftsrückgang anstelle von Rezession und Krise, meinte Daniela Bobewa abschließend.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
Fotos: BGNES
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