Zu einem Zeitpunkt einer neuerlichen Kollision der Interessen Moskaus und Washingtons, unternahm der stellvertretende US-Staatssekretär John J. Sullivan eine Rundreise durch Mittel- und Osteuropa. Die von ihm geführten Gespräche in der Region fielen mit der Fortsetzung der Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland, den angespannten Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine wegen des Zusammenstoßes in der Straße von Kertsch und der Resolution des Europaparlaments gegen das Projekt „Nord Stream 2“ zusammen. Dieses Dokument wird von Moskau als ein Druck der USA zur Einfrierung des Projekts angesehen, mit dem der Umfang der russischen Gaslieferungen für Europa erweitert werden soll.
Sullivan traf in Sofia am Tag nach der Sitzung des Europäischen Rates ein, auf dem sich der bulgarische Premierminister Bojko Borissow zu einigen dieser Probleme geäußert hatte. Er appellierte an Moskau, die in der Straße von Kertsch festgenommenen ukrainischen Matrosen freizulassen. Borissow brachte gleichzeitig seine Sorge zum Ausdruck, dass „die innere Notwendigkeit der Länder nach einem Feind auf die Region des Schwarzen Meers übertragen“ werden könnte. Bulgarien möchte, dass durch ihr Territorium geostrategische Projekte verlaufen. Borissow betonte in diesem Zusammenhang, dass es „dort, wo es Gaspipelines und Reaktoren gibt, keinen Krieg geben kann“. Wenige Stunden, nachdem der schwedische Premier ein lukrativeres Angebot zur Zustellung von Mehrzweckkampfflugzeugen Gripen zusagte, meinte Borissow aus Brüssel, er erwarte von den USA, dass sie bessere Bedingungen zur Lieferung der Mehrzweckkampfflugzeuge F 16 bieten, „denn sie sind besser als alle anderen, die angeboten werden“. Diese Aussage weist darauf hin, dass Borissow praktisch die Wahl getroffen habe und Bulgarien die US-amerikanischen Maschinen anschaffen werde. Der bulgarische Premier hat nie verheimlicht, dass er den schwedischen Maschinen, die im Gegensatz zu den amerikanischen nicht im Kampf erprobt worden sind, nicht traut.
Die Bewaffnung der Armee, die Energieprojekte und die Diversifizierung der Gaszustellungen gehörten zu den Gesprächsthemen von Sullivan in Sofia. Borissow versicherte seinem Gesprächspartner, dass Bulgarien bis 2024 seine Militärausgaben auf 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhen werde. Vor der Außenministerin Ekaterina Sachariewa betonte der Gast, es sei für Bulgarien eine strategische Notwendigkeit, die Energiewege und Quellen zu diversifizieren. In diesem Zusammenhang informierte Sachariewa, dass sich Bulgarien mit 20 Prozent am Terminal für Flüssiggas der griechischen Hafenstadt Alexandroupolis beteiligen wolle.
Während die Gespräche mit dem stellvertretenden US-Staatssekretär John J. Sullivan liefen, verkündete Energieministerin Temenuschka Petkowa im Parlament, Bulgarien werde eine Modifizierung der Transitgas-Vereinbarung mit der russischen Gazprom verlangen, denn ab 2020 will Russland die „Trans Balkan Pipeline“ durch die Ukraine, Rumänien und Bulgarien aufgeben. Bulgarien will, dass Russland für den Umfang des transitierten Erdgases, das dann über die Leitung Turkish Stream gepumpt werden soll, Garantien zusichert. Die Unterzeichnung der Transitbeförderung über Turkish Stream macht seinerseits Borissow vom Aufbau eines Gas-Hubs auf bulgarischem Territorium abhängig. Laut dem Premier sei ein solches Verteilerzentrum unabdingbar notwendig, denn wenn unser Land eine Transitleitung nach Serbien baut, würde es sich bei einem eventuellen Gaststopp seitens Russlands erweisen, dass „Bulgarien sinnlos 3 Milliarden in der Erde verbuddelt“ hat.
Einige Beobachter meinen, dass der jüngste Besuch von John J. Sullivan in Bulgarien an jene Visite von 2014 erinnert, als die Regierung von Plamen Orescharski nach Gesprächen mit den US-Senatoren John McCain, Ron Johnson und Chris Murphy in Sofia die Arbeiten am Gaspipelineprojekt South Stream stoppte. Heute, vier Jahre später hat sich die russische Seite immer noch nicht entschieden, ob das zweite Rohr von Turkish Stream von der Türkei nach Italien, oder über Bulgarien nach Serbien und Ungarn verlaufen solle. Unmittelbar vor der Visite des stellvertretenden US-Staatssekretärs in Bulgarien äußerte der russische Botschafter Anatolij Makarow in Sofia, dass sich die bulgarisch-russischen Beziehungen im vergangenen Jahr positiv entwickelt hätten. Auch wenn momentan kein Besuch von Kreml-Chef Wladimir Putin in Bulgarien geplant ist, könnte sich das schnell ändern, falls neue Handels- und Wirtschaftsvereinbarungen abgeschlossen werden, falls aus Turkish Stream“ ein „Bulgarian Stream“ wird und falls eine positive Entwicklung innerhalb des Kernkraftwerksprojekts Belene eintritt. Am Vorabend des neuen Jahres sieht sich Bulgarien vor eine schwierige Aufgabe gestellt, nämlich zwischen den Interessen der Europäischen Union, Washingtons und Russlands zu balancieren. Wie diese „Gleichgewichtsübung“ auch aussehen sollte, wird sie nicht über die EU und NATO hinausgehen. Angesichts der heutigen Konjunktur sieht die Perspektive für die bulgarisch-russischen Beziehungen nicht besonders erfreulich aus.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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