Die diesjährigen Nationalen Herbstausstellungen in der südbulgarischen Stadt Plowdiw schauen jenseits der Oberfläche und das mittels den individuellen Empfindungen von 10 Gegenwartskünstlern und deren Interpretationen von Geheimnissen, die sich den Blicken Uneingeweihter entzogen haben. Wie in einem Zaubertheater werden den Dingen Dimensionen verliehen, damit sie ihre bisherigen Konturen verlassen können...
Am 1. September wird inmitten der malerischen Kulisse der Altstadt Plowdiws das wohl älteste Forum Bulgariens für Gegenwartskunst eröffnet. Alles begann im Jahre 1967, als Alexander Krastew (wegen seines Beitrags zum Kulturleben seiner Geburtsstadt von den Plowdiwern scherzhaft „Natscho der Kulturträger“ genannt) im Garten seines Hauses Aquarelle des Malers Georgi Boschilow exponierte. Seitdem offenbaren sich Künstler der traditionellen Genre Malerei, Grafik und Zeichnung, Bildhauerei sowie Keramik dem Publikum mit selbständigen Ausstellungen.
„Die Idee von Alexander Krastew bestand darin, die altehrwürdigen Häuser und vor allem ihre Höfe und Gärten mit künstlerischem Geist zu beleben“, erzählt uns die Kuratorin der Expositionen Prof. Galina Lardewa. „Zu seiner Zeit lebten in Plowdiw etliche heute namhafte Künstler, mit denen Alexander Krastew befreundet war. Er gab den damals jungen Kunstschaffenden eine Alternative, um ihre Arbeiten dem Publikum vorzustellen und zwar in einer informellen künstlerischen Atmosphäre, im Gegensatz zu den Ausstellungsräumen des Künstlerverbandes und den Galerien, in denen man üblicherweise auszustellen hatte. Die Herbstausstellungen haben sich schon immer als eine Art Alternative verstanden, die gerade von jenen Künstlern wahrgenommen werden, die einen freien Geist atmen und die Kunst in neue Bahnen lenken. Es wurden nie Schranken auferlegt; die Künstler können ihrer Experimentierfreude freien Lauf lassen, es herrscht ein Geist des alternativen Denkens, der das Publikum in neue Dimensionen versetzt.“
Prof. Lardewa ist davon überzeugt, dass die Nationalen Herbstausstellungen bis heute ihren alternativen Geist bewahrt haben. Heutzutage setzen sie einen Kontrapunkt zum kommerziellen Denken der meisten Galerien und verstehen sich als eine Tribüne für die aktiven Teilnehmer und Neuerer in der Gegenwartskunst.
Seit einigen Jahren hat sich Prof. Galina Lardewa in ihrer Funktion als künstlerische Direktorin die Aufgabe gestellt, die selbständigen Ausstellungen mittels eines Kuratoren-Projekts zu vereinen. Während im vergangenen Jahr der Placebo-Effekt der Kunst in den Vordergrund gerückt wurde, erhielten die Künstler für die Ausstellungen in diesem Herbst die Aufgabe, „jenseits der Oberfläche“ zu schauen.
„In gewisser Weise ist das Motto „Jenseits der Oberfläche“ als ein Augenzwinkern zu verstehen; die Künstler sollen die Idee über das visuelle Bild aus ihrer Sicht vorstellen“, meint die Kuratorin. „Die Idee von „über“ und „unter“ der Oberfläche wird sprachlich als ein Modell des „Sichtbaren“ und des „Unsichtbaren“ benutzt. „Jenseits“ der Oberfläche greift jedoch jenseits der Begriffe und Ideen über das „Sichtbare“, das „Unsichtbare“ und das „Oberflächliche“. Mein Projekt ist darauf ausgerichtet, Autoren vorzustellen, die sowohl auf der Ebene „Materie“, als auch auf der Ebene „Gedanke im visuellen Abbild“ arbeiten können.“
Bekannte Künstler und Neulinge unter den Portraitisten, Grafikern, Fotografen, Textilgestaltern, Landschaftsmalern, Konzeptkünstlern, Bühnenbildnern und Bildhauern werden ihre Werke im Balabanow-Haus, dem Hindlijan-Haus und im Haus der mexikanischen Kunst in der Altstadt von Plowdiw präsentieren.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: Privatarchiv
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