Das erste Kulturhaus, das in einem Dorf in Bulgarien gegründet worden ist, blickt mittlerweile auf eine 150jährige Geschichte zurück. Es entstand im Dorf Sweschen, das 68 Kilometer von der südbulgarischen Stadt Plowdiw entfernt ist. Das Dorf selbst wurde im 14. Jahrhundert gegründet, unmittelbar nach dem Einfall der Osmanen. Adlige aus der damaligen bulgarischen Reichshauptstadt Tarnowo waren an diesen Ort geflohen und legten den Grundstein einer Siedlung. Am April-Aufstand gegen den Fremdherrscher im Jahre 1876 beteiligten viele Bewohner des Dorfes, das im Jahr darauf im Zuge des Russisch-türkischen Krieges von 1877/78 von den Soldaten des Süleiman Pascha niedergebrannt wurde.
Vielleicht ist es der blaublütigen Herkunft der Dorfbewohner zuzuschreiben, dass das Dorf weiterhin ein geistiges Zentrum in der Region blieb. Auch wirtschaftlich florierte es – angebaut wurden Rosen, die Tierhaltung war gut entwickelt, wie auch etliche alte Handwerke, deren Traditionen bis heute bewahrt werden. Im 16. Jahrhundert entstand an der Dorfkirche „Hl. Georg“ eine Schriftgelehrtenschule, die sich als Nachfolgerin der Schule von Tarnowo betrachtete. Es wurde ferner eine Zellenschule betrieben und schließlich 1835 eine erste weltliche Schule eingerichtet. 1868 folgte die Gründung eines Kulturhauses.
Mehr über die Vergangenheit und Gegenwart erzählte uns Dorte Enkow – eine Dänin, die seit einigen Jahren in Bulgarien lebt und die Funktion der Direktionssekretärin des Kulturhauses übernommen hat.
„Seit 35 Jahren beschäftige ich mich mit der bulgarischen Kultur. Ich habe bulgarische Philologie an der Universität in Kopenhagen studiert und habe beruflich schon immer mit Bulgarien zu tun gehabt. Ich war als beratende Redakteurin zu Fragen Bulgariens an der Nationalen dänischen Enzyklopädie tätig. Ferner habe ich Artikel über das Leben und die Kultur Bulgariens verfasst… Die Geschichte des Dorfes Sweschen ist sehr reich. Die Einrichtung des Kulturhauses wurde in der Zeitung „Makedonija“ Nr. 43 von 1869 dokumentiert. In dem Artikel heißt es: „Im vergangenen Jahr wurde dank der Bemühungen von zwei, drei ausgezeichneten Jugendlichen ein Kulturhaus gegründet. Ziel ist, eine Mädchenschule im Dorf einzurichten und sie finanziell zu tragen“. Die Gründer sind Geno Serafimow, Vater des Befreiers der Rhodopen Oberst Wladimir Serafimow und die Lehrer Russi Nikolow und Dimitar Popow.
Das Dorf hatte zu jener Zeit um die 5.000 Einwohner und fungierte als Hauptort des Kreises. Die Bewohner waren aufgeweckte Leute. Früher wurden hier Kirchenbücher und andere Werke des Mittelalters abgeschrieben. Und so besitzen wir eine Bibliothek, deren Grundstein bereits bei der Einrichtung des Kulturhauses gelegt wurde. Allein im vergangenen Jahr konnten wir einen Zugang von über 1.000 Büchern verzeichnen. Auch das Gebäude wurde mit Hilfe von Spenden und der freiwilligen Arbeit der Dorfbewohner errichtet.
Heutzutage hat das Kulturhaus neue Funktionen übernommen. Wir führen Computer-Lehrgänge durch, in denen eine Betonung auf die Arbeit mit „Skype“ und „Facebook“ gesetzt wird, damit die älteren Menschen mit ihren Kindern und Enkeln im Ausland in Kontakt bleiben können. Im vergangenen Jahr haben wir einen Lehrgang für soziale Fähigkeiten organisiert.
Das Jubiläum unseres Kulturhauses haben wir mit einem Folklorekonzert am 27. Juli begangen, an dem sich 20 Gruppen aus 10 Kulturhäusern beteiligten. Es kamen Gäste aus Belgien, die eine Woche lang mit uns sangen und tanzten. Es wurde ein großes Volksfest daraus und es ging sehr fröhlich zu. Am 4. August eröffneten wir dann eine Ausstellung über die letzten Tage des Woiwoden Hadschi Dimitar. Er wurde in der Nähe verletzt und von Schäfern im Gebirge bis zu seinem Tod gepflegt.“
Dorte Enkow lud uns zu dem Dorffest ein, dass am 18. August stattfinden wird. Auch dieses Zusammentreffen wird ganz unter dem Zeichen des Jahrestags des örtlichen Kulturhauses stehen. Das Programm des Volksfestes wird jedoch getreu der Traditionen das Gleiche sein. Das Fest beginnt mit dem Verteilen einer Opferlammsuppe; danach stellen sich die verschiedenen Folkloregruppen vor und es wird gesungen und getanzt. Die Gäste sollen sich wie zu Hause fühlen.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: Archiv
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