Kann ein Leben mit einer Waage gemessen werden? Was dann, wenn das Bild im Spiegel und der Blick auf der Waage nicht den Anforderungen des Massenideals entsprechen?
Hinter jeder Essstörung steckt ein emotionales Problem. Bei jungen Menschen geht es oft um Unsicherheit und Mangel an Selbstakzeptanz. Probleme in der Familie, Trennung, Misserfolg, Anpassungsunfähigkeit sind weitere Gründe für die Jugendlichen, in der Nahrung als das zugänglichste Vergnügen eine Rettung zu suchen.
Essstörungen nehmen unter jungen Menschen zu. Das ist auch der Grund für die Psychotherapeutinnen Milena Taschkowa und Sofia Ferdinandowa das Projekt "Ein Leben auf der Waage" zu starten. Sie wollen Schülern der Klassen 5 bis 12 helfen, mit diesem Problem fertig zu werden. Die Jugendlichen werden in gewissen Situationen und Rollen gestellt. Sie müssen nachdenken und einen konstruktiven Ausweg finden, der sich davon unterscheidet, entweder zu wenig oder zu viel zu essen.
In der Regel leiden die jungen Menschen an drei Typen von Essstörungen. „Bei Anorexie kann sich der Betroffene selbst nicht leiden und akzeptieren“, erklärt Dr. Milena Taschkowa. „Er nimmt keine Nahrung zu sich und selbst wenn er einen einzigen Apfel am Tag isst, hat er Gewissenbisse. Das Gewicht ist lebendbedrohlich reduziert. Bei der Bulimie wechseln sich Fressattacken und Erbrechen ab, auf denen Phasen des totalen Nahrungsentzugs folgen.“
Anorexie und Bulimie hängen oft zusammen und ein Zustand kann in den anderen übergehen. „Die Orthorexie ist eine weitere Essstörung, die mit einer krankheitswertigen Störung gleichzusetzen ist. Sie ist nicht zu verwechseln mit der gesunden Ernährung. Vielmehr handelt es sich um ein zwanghaftes Beschäftigen mit vermeintlich gesundem Essen“, erklärt die Psychologin. „Die Betroffenen denken den ganzen Tag darüber nach was sie essen und ob es nicht schädlich ist. Deshalb nimmt die Zubereitung ihres Essens viel Zeit in Anspruch. Wenn die gesamte Aufmerksamkeit nur auf die Ernährung gelenkt wird, wird das zum Problem.“
Das atypische Essverhalten bleibt lange Zeit verborgen und so greifen die Experten irgendwo in der Mitte der Krankheit ein. Deshalb ist es so wichtig, dass die Eltern ihre Kinder beobachten, ob sie unsicher sind und ständig nach Komplimenten für ihr Äußeres lechzen, sich zu kritisch bewerten oder gemeinsames Essen mit der Familie meiden. Sollten sie feststellen, dass all das dominiert, ist spezialisierte Hilfe unerlässlich.
„Vor allem müssen die Eltern ihren Kindern nahe sein, mit ihnen sprechen und ein offenes Ohr für ihre Probleme haben", rät Dr. Milena Taschkowa. „Sie sollten sie anhalten, über ihre Probleme zu sprechen, Emotionen zu zeigen und bereit sein, über die Probleme zu diskutieren. Sollten sie ein Problem bemerken, dürfen sie nicht davor zurückscheuen, es offen anzusprechen. Sie dürfen die Probleme nicht vertuschen und sollten einen Psychologen einbeziehen. Manchmal ist auch die Hilfe eines Psychiaters notwendig. Doch das ist nicht schlimm“, erklärt Milena Taschkowa. „Schlimm ist, wenn keine Maßnahmen unternommen werden.“
Die Essstörungen betreffen aber nicht nur junge Menschen. Auch ältere Personen haben damit Probleme, wenn sie mit ihren Emotionen nicht fertig werden.
„Es ist nicht leicht, Kummer zu bewältigen und ein Selbstwertgefühl zu entwickeln“, betont Dr. Milena Taschkowa. „Wir fühlen uns nicht erfolgreich genug und wollen die Anerkennung des Anderen und wenn sie ausbleibt, nistet sich bei uns das Gefühl ein, dass wir nichts wert sind, nicht gut genug aussehen, so unvollkommen sind. Deshalb wollen wir etwas in dieser Richtung unternehmen. Finden wir aber Freunde, mit denen wir über Probleme sprechen können, wenn wir uns angenommen und anerkannt fühlen und die Angst verlieren, dann haben wir das richtige Umfeld. Das Wichtigste ist, dass wir authentisch bleiben und uns nicht fürchten so zu sein, wie wir sind, und das aussprechen, was wir denken und fühlen.“
Übersetzung: Georgetta Janewa
Fotos: Privatarchiv
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