Die politische Elite des zivilisierten Europa fand sich am 11. Januar zur feierlichen Eröffnung der bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft in Sofia ein. Gezeigt wurde nicht nur gutes Benehmen, sondern auch politische Etikette. Können die bulgarischen Politiker da mithalten, die diese Regeln häufig als Höflichkeitsfloskeln abtun?
„Die Etikette ist eine Form der Ausübung von Politik“, ist Maria Kassimova-Moisset überzeugt. Sie ist eine Fachfrau auf dem Gebiet von Etikette und Protokoll. „Einer der größten Fehler, den die bulgarischen Politiker begehen, ist die Unterbewertung der Sprache, deren sich die Etikette bedient. Hierzu gibt es fest vorgeschriebene Regeln. Die Etikette unterstützt die Kommunikation und schafft gute Bedingungen zur Verständigung unter den Politikern, Geschäftsleuten und überhaupt unter Persönlichkeiten."
„In der letzten Zeit ist eine Tendenz zur Vereinfachung der Kommunikation in der Politik zu bemerken“, meint die Expertin weiter und betont, wie wichtig Feingefühl und Höflichkeit sind. „Man kann eine harte politische Position einnehmen, muss aber die Dinge gleichzeitig auf eine Art und Weise vorstellen, dass sie keinen verletzen und nur die Bedeutung und das Gewicht des Gesagten unterstrichen wird. In der europäischen Etikette kommt jeder Geste und jedem Verhalten eine Bedeutung zu“, meint Maria Kassimova-Moisset.
Die bulgarischen Politiker bemühen sich, das gleiche Niveau ihrer Kollegen zu erreichen, die aus Ländern stammen, in denen die politische Etikette und das Protokoll auf lange Traditionen zurückblicken. Maria Kassimova-Moisset fällt es jedoch schwer, mehr als 10 heimische Politiker aufzuzählen, die sich an die Etikette halten und nennt einzig Politiker aus der nahen Vergangenheit, wie Rossen Plewneliew, Kristalina Georgiewa und Meglena Kunewa. In diesem Sinne ist während der bulgarischen EU-Ratspräsidentschaft mit einer Konfrontation der Zivilisationen und vielen Fehlern zu rechnen, warnt die Expertin und meint:
„Es sind schon Fehler in der Kommunikation mit Persönlichkeiten zu bemerken, die uns während unseres EU-Vorsitzes besuchen werden. Mit den Dingen, von denen einige bulgarische Politiker meinen, dass wir damit Interesse hervorrufen werden, haben wir ein Bild von unserem Land gemalt, das nicht besonders modern, ja sogar geradezu altmodisch erscheint. Daher hoffe ich, dass dieses Bild in den kommenden Monaten verändert wird, zumal in Bulgarien wenn auch wenige, dafür aber ausgesprochen intelligente und weltoffene Menschen mit ernstzunehmenden Zukunftsvisionen leben. Ich will nur an die Opernsänger, Ärzte, Maler und Schauspieler erinnern, die Bulgarien würdig in aller Welt vertreten. Ich kann mir nicht erklären, warum sie nicht in das zeitgenössische Bild Bulgariens einbezogen werden. Wenn man die Internetseite unserer EU-Ratspräsidentschaft betrachtet, fallen einem vor allem Männer auf, die leger gekleidet auf irgendwelchen Tieren reiten, oder Frauen in Bühnentrachten, die auf der Glut tanzen. Sie stellen lediglich einen fast unbedeutenden Bruchteil der Bevölkerung dar. Wo sind all die anderen Menschen?“
Wenn die bulgarischen Politiker im Umgang Fehler machen, dann ist das vor allem auf Unwissen zurückzuführen. Maria Kassimova-Moisset rät ihnen, sich an Experten zu Fragen von Etikette und Kommunikationsfähigkeiten zu wenden.
„Ich würde unseren Politikern auch ans Herz legen, die Menschen zu beobachten, die demnächst nach Bulgarien kommen werden, denn ihnen steckt die Etikette im Blut. Ich rate ihnen aber nicht, sie einfach nachzuahmen. Es wäre aber gut, wenn sie deren Sprache sprechen, wenn auch mit bulgarischem Akzent. Was das äußere Erscheinungsbild anbelangt, sollten sie sich auf die besten bulgarischen Hersteller stützen, anstatt mit Anzügen oder Handtaschen aufzutreten, an denen die Marken weltbekannter Unternehmen prangen. Gerade solche kleinen Dinge sind von Bedeutung. Wir müssen das Bulgarische in seiner elegantesten und schönsten Art stimulieren und mit ihm die Sprache der Etikette sprechen, denn es ist absoluter Kitsch, wenn man sich für etwas ausgibt, das man nicht ist!“
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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