In der Stadtgalerie Sofia ist bis zum 4. Februar eine Ausstellung zu sehen, die unter dem Motto „Symbol und Gestalt in der modernen bulgarischen Kunst“ läuft. Der Grundgedanke der Exposition, die aus mehr als 100 Werken besteht, dreht sich um die Ikone und ihre Einflüsse auf die weltliche Kunst.
„Die Präsenz der Ikone in der zeitgenössischen, oder besser gesagt modernen Kunst und speziell den weltlichen Werken, fesselt mich seit anderthalb Jahren“, erzählte uns der Kurator der Ausstellung Ljuben Domosetski. „In dieser Zeit habe ich mich mit der Suche nach Künstlern beschäftigt, die sich nach der Neugründung des bulgarischen Staates 1878 auf die eine oder andere Weise mit der Ikone auseinandergesetzt haben – sei es um die Ikone als Teil des Interieurs, einer Landschaft oder eines Rituals, das in einem Werk dargestellt wird. Es ging mir auch um die Ikone als Ausgangspunkt neuer Themen, wie sie in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in der bildenden Kunst Bulgariens aufkamen. Und so kam es zur Auswahl der Werke, die diese Ausstellung zeigt.“
Die Werke sind in der Zeit zwischen der Befreiung Bulgariens von osmanischer Fremdherrschaft 1878 und dem Jahr der Wende zur Demokratie in Bulgarien 1989 entstanden.
Inwieweit ließen sich die Künstler von den Werken aus dem Mittelalter und der bulgarischen Wiedergeburtszeit des 18. und 19. Jahrhunderts beeinflussen?
„In einigen Perioden ist ein verstärktes Interesse an der mittelalterlichen Kunst zu bemerken“, antwortet Ljuben Domosetski. „Nehmen wir z.B. die Werke der ersten ausländischen Künstler, die nach Bulgarien kamen. Sie waren beeindruckt von den Altertümern, die sie hier vorfanden und begannen sie in ihren Bildern „ethnographisch zu beschreiben“. Für sie waren alle Details wichtig, sowohl auf den bunten Trachten der hiesigen Bevölkerung, als auch der hiesigen Kirchen, einschließlich der Wandmalereien und der Ikonen der Altarschranke.“
Der Kurator der Ausstellung nannte als Beispiel Jan Václav Mrkvička, der der wohl bedeutendste ausländische Künstler war, der in das neugegründete Bulgarien übersiedelte und hier wirkte. Über sein Bild "Gebet mit Opferlamm zum Georgstag“ sagte Ljuben Domosetski: „Für Mrkvička ist jedes Detail wichtig – angefangen bei den einzelnen Ornamenten auf der Tracht des Bauern, über die zwei brennenden Kerzen, die dem Opferlamm auf den Kopf gesteckt wurden, bis hin zum Interieur. Hinter dem segnenden Priester ist auch eine Ikone zu sehen. Sie ist Teil der Szene und steht für das hiesige religiöse Leben.“
Zwei weitere ausländische Künstler sind der österreichische Ingenieur und Maler Joseph Oberbauer und der Tscheche Josef Piter, die das Leben im damaligen Sofia bildlich festhielten.
„Man muss sich die Stadt aus der Zeit nach der Befreiung bis etwa die Jahrhundertwende vorstellen“, erzählt der Kurator der Ausstellung. „Inmitten alter ein- bis zweistöckiger Balkan-Fachwerkhäuser ragen einige wenige neue Häuser europäischer Machart; auch sind die Ruinen antiker wie auch islamischer Bauwerke zu sehen; die Straßen sind ungepflastert und schmutzig; die Märkte hingegen bunt orientalisch... Dieses Bild, diese Atmosphäre, zu der auch die altehrwürdigten orthodoxen Kirchen mit ihren Ikonenwänden beitrugen, hat die Ausländer stark beeindruckt, weil sie so etwas von zu Hause her nicht gewohnt waren.“
Doch die Ikonen waren auch für die bulgarischen Künstler von Interesse – sie erscheinen auf Bildern verschiedener historischer Thematik, aber auch auf Genreszenen. Zuweilen werden alte Volkshelden wie Heilige dargestellt, wie sie im Begriff sind, das Böse zu besiegen.
Nach der Neugründung Bulgariens zog der akademische Stil in der hiesigen Malerei endgültig ein, der im krassen Widerspruch zur zweidimensionalen Darstellungsweise der traditionellen byzantinischen Ikonenmalerei steht. Doch bereits in den 20er Jahren des neuen Jahrhunderts wurde erneut das Interesse am Mittelalter und seiner Malkunst wach. „Man war bestrebt, die heimische Kunst zu modernisieren und suchte nach ganz spezifisch nationalen Elementen“, bestätigt Ljuben Domosetski. Man fand Gefallen an den archaischen Malereien und ihrer Bildsprache, die bis heute etliche Künstler inspirieren.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: Weneta Pawlowa und sghg.bg
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