„Auf der Insel wurden zuerst die Schildkröten gefangen und verzehrt. Danach begannen die Gefangenen Frösche, Wasserschlangen, Hunde Katzen, Raben, Igel und sogar Spatzen zu fangen. Die Häftlinge haben sogar die Kadaver von mit Anthrax verseuchten Tieren, ertrunkenen Pferden, an Infektionskrankheiten verendeten Schweinen, von den Milizen erschossenen Füchsen und Wildkatzen, deren Fell abgezogen wurde, ausgegraben und gegessen. Einige haben Pferdeäpfel ausgewaschen, um darin übrig gebliebene Körner zu finden. In den Jahren 1953-1954 kam es soweit, dass die Inhaftierten junge Birkenzweige und sogar Gras essen. Ein Beleg dafür ist ein erlassener Befehl, das Grasen zu stoppen...“
Das ist ein Auszug aus einem ganz besonderen Buch, das am 6. Dezember in den bulgarischen Buchläden erscheinen wird. Es ist die umfangreichste Darstellung des Lagerlebens in Belene, die sich auf Dokumente und persönliche Berichte von Lagerinsassen gründet. Jeder, der den Mut aufbringt, die Wahrheit zu erfahren und sich ein umfassendes Bild über das Verbrechen "Belene", jene Insel, die den freien Menschen getötet hat, zu machen, kann es anhand der rund 1000 Seiten tun, die der Autor Borislaw Skortschew zusammengetragen hat. Zehn Jahre lang hat er bulgarische und ausländische Archive studiert, um die Struktur und die Schreckenstaten, die unfassbare Missachtung und Erniedrigung der Persönlichkeit im größten kommunistischen Konzentrationslager aufzudecken.
Borislaw Skortshew hat seine Bürgerpflicht erfüllt und meidet, im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu stehen. Deshalb hat Hristo Hristow, ein anderer Erforscher des kommunistischen Regimes sich zur Aufgabe gemacht, das Buch zu präsentieren.
„Der Autor des Buches "Das Konzentrationslager Belene 1949-1987” Borislaw Skortschew ist bekannt für seine online-Plattform Entkommunisierung, übrigens die erste, die sich mit der Überwindung der Abhängigkeiten von unserer totalitären Vergangenheit befasst.“
Bei dem Buch handelt es sich um die erste umfassende Untersuchung des Konzentrationslagers Belene. Dargestellt sind die politischen Gründe für die Schaffung des Lagers und die Gruppen von Menschen, die dort inhaftiert wurden, das Leben im Lager, die Zwangsarbeit, die Strafen, die Hinrichtungen, die Fluchtversuche. Fast auf jeder Seite entdeckt der Leser etwas Neues.
„Das Lager wurde am 27. April 1949 mit einem Geheimbeschluss des Ministerrates gegründet“, erzählt Hristo Hristow weiter. „Die kommunistische Partei übernimmt den Prototyp des sowjetischen Straflagers für Andersdenkende GULAG, übertrifft es jedoch an Brutalität. Ein interessanter Fakt ist, dass Belene zu dieser Zeit ein Dorf mit einer katholischen Bevölkerung war, auf die die damalige Bulgarische Kommunistische Partei keinen Einfluss hatte. Wie aus den Archiven der Staatssicherheit hervorgeht, wurden Probleme erwartet und trotzdem wurde die Insel Persin wegen ihrer Abgeschiedenheit für das Lager ausgewählt. Die Idee war, Häftlinge aus anderen Straflagern dorthin zu versetzen.“
Das Lager Belene hat bis zum Tod Stalins 1953 existiert. Danach begann eine gewisse Lockerung des Regimes. 15.000 Bulgaren durchliefen das Lager, eine nicht geringe Zahl für das kleine Land Bulgarien. In den ersten Monaten des kommunistischen Regimes wurden zwischen 18.000 und 30.000 Personen als vermisst gemeldet oder getötet. Weitere 10.000 Bulgaren wurden vom so genannten Volksgericht verurteilt.
Die Gefangenen wurden während der Existenz des Straflagers von der Lagerleitung durch verschiedene Methoden gequält. Der perverse Einfallsreichtum, um ihre menschliche Würde mit Füßen zu treten, sie psychisch und körperlich zu terrorisieren, kannte keine Grenzen und reichte vom Aushungern bis zu Schießereien ohne Vorwarnung. Diese lange Zeit tot geschwiegenen Wahrheiten und die verbreiteten Mythen über das angeblich ruhige und sichere Leben während des Sozialismus veranlassten engagierte Bulgaren mit Zivilcourage und Gerechtigkeitssinn, sich für die Veröffentlichung der Gräueltaten der Kommunisten einzusetzen und die Erneuerung der Geschichtsbücher zu fordern. Die moderne Geschichtsausbildung sollte auf die Fakten über das totalitäre Regime in Bulgarien fußen.
„Die bulgarische Geschichtswissenschaft steht in der Schuld der bulgarischen Gesellschaft. Die Historiker sind diejenigen, die aufklären und bilden sollten. Das Buch von Borislaw Skortschew "Das Konzentrationslager Belene 1949 - 1987" ist beispielgebend in dieser Richtung. Skortschew ist kein Historiker und dennoch ist er stark engagiert, die Verbrechen des Kommunismus nicht in Vergessenheit geraten zu lassen“, sagt abschließend Hristo Hristow.
Übersetzung und Redaktion: Georgetta Janewa
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