Als Kind malte er zusammen mit dem weltbekannten Künstler Christo, doch im Alter von 18 Jahren, zwei Monaten und sechs Tagen verlor er auf dem Operationstisch sein Augenlicht. Heute kümmert sich der inzwischen 83 Jahre alte Spas Karafesow wie ein Vater um seine Schicksalsgenossen.
Spas Karafesow ist Vorsitzender des Nationalen Volkskulturhauses für Blinde „Louis Braille“, das vom namhaften Komponisten Petko Stajnow gegründet wurde und 2019 sein 90jähriges Bestehen begehen wird. Diese Institution ist der einzige Verlag für Literatur für Blinde und eine Nationalbibliothek mit einem Bücherbestand aus 3.000 Büchern in Blindenschrift und 13.000 E-Books. Sie bereitet nicht nur die Herausgabe von Büchern in Brailleschrift vor, sondern liefert sie auch mit eigenem Transport an die Leser. Im Laufe langer Jahre wurden die Bücher manuell geschrieben, mit Hilfe einer Tafel und einer Ahle. Dank Stiftungen der Open Society Foundations und der japanischen Botschaft in Bulgarien werden die Bücher seit zwei Jahrzehnten nunmehr auf einem speziellen Printer ausgedruckt. Die Herstellung von Büchern in Blindenschrift ist ein kostspieliger Prozess wegen dem teuren Importpapier. Bedauerlicherweise wird diese Tätigkeit nicht vom Staat unterstützt, so dass sich das Volkskulturhaus „Louis Braille“ einzig und allein auf Sponsoren verlässt.
„1994 haben wir damit begonnen, elektronische Bücher zu machen – noch bevor die bulgarischen Verlagshäuser ihre E-Books auf den Markt gebracht hatten. Anfangs taten wir das über das DOS-System und seit 2007, dank der Vereinigung für Computerlinguistik, über die SpeechLab-Software. Mit Hilfe dieses Programms können Sehbehinderte im Internet surfen und ihre Smartphones, PCs und Tablets benutzen. Es steht rund um die Uhr zum Download zur Verfügung und wandelt den Text in Sprache um. Man kann sich die Dinge, die einen interessieren, anhören, die Geschwindigkeit anpassen, Seiten suchen, überhaupt alles machen, was man normalerweise am Computer tut“, erzählt Spas Karafesow.
Hit Hilfe sogenannter Braille-Displays können Sehbehinderte jedes Buch öffnen und mit den Fingern lesen. Solche Berührungsdisplays sind aber sehr teuer und für Studenten und Beschäftigte unerschwinglich – im Unterschied zu Deutschland, wo sie Berufstätigen kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Mit Fortschritt der Technologien sinkt die Zahl der Braille-Leser von Jahr zu Jahr. Dessen ungeachtet ist die Braille-Schrift ein unersetzliches Mittel, das Zugang zu Wissen und Kultur verschafft und vor allem beim Erlernen von Fremdsprachen sehr nützlich ist, ist Spas Karafesow überzeugt.
„Blinde Menschen haben sehr geringe Berufschancen“, meint er. „Die Regierung verschafft über gewisse EU-Förderprogramme gewisse Möglichkeiten für einen niedrigen Prozentsatz von ihnen. Leider haben sie kaum Chancen, sich beruflich zu verwirklichen, weil die ganze Welt auf das Sehen ausgerichtet ist und alles visuell bedient wird. Mit fortschreitenden Technologien entfallen viele Möglichkeiten. Einst konnten blinde Menschen in bestimmten Gewerben oder als Telefonisten arbeiten, heutzutage aber nicht mehr. Intellektuelle Berufe haben allerdings immer noch Sinn, deshalb ist Bildung extrem wichtig. Blinde Kinder dürfen nicht in Isolation aufwachsen. Sie sollten von frühestem Kindesalter an lernen, mit modernen Computerprogrammen, Touchscreens etc. umzugehen. Sie müssen nicht nur auf dem Stand ihrer Mitschüler, sondern ihnen sogar um einiges voraus sein, damit sie es im Leben schaffen“, ist Spas Karafesow überzeugt.
Es gibt viele erfolgreiche sehbehinderte Menschen – Juristen, Pädagogen an Blindenschulen, Künstler, sagt er. Mit Blick auf den Internationalen Tag der Blinden am 13. November empfiehlt er ihnen, Courage zu haben und sich auf das Leben vorzubereiten.
“Damit sie es schaffen, muss die Integration bei ihnen selbst beginnen – sie müssen innerlich wachsen und ihre Würde verfechten können. Ich bin überzeugt, dass man ungeachtet der Umstände und seiner körperlichen Verfassung immer seinen Platz im Leben finden kann“, sagte abschließend der Vorsitzende des Nationalen Volkskulturhauses für Blinde „Louis Braille“ Spas Karafesow.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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