Sendung auf Deutsch
Textgröße
Bulgarischer Nationaler Rundfunk © 2024 Alle Rechte vorbehalten

"Ehemalige" nach Stasi-Klassifizierung gibt es bis heute

БНР Новини
Foto: Privat

"Ehemalige nach Stasi-Klassifizierung" ist der Titel eines Buches, dessen Premiere Hunderte Menschen zusammengeschweißt hat, die es im Zuge der ungestraften Verbrechen des Kommunismus nach einem Mindestmaß an Gerechtigkeit dürstet.. Die erste Auflage war innerhalb einer Woche vergriffen.

Als "Ehemalige" wurden abwertend Industrielle, Geistliche, Militärs, Politiker, Intellektuelle  eingestuft - alles Persönlichkeiten, die vor der Machtergreifung der Kommunisten am 9. September 1944 zur Entwicklung Bulgariens beitrugen.  Die Kommunisten übernahmen diesen Begriff nach der Nationalisierung 1947 vom stalinistischen Volkskommissariat für innere Angelegenheiten, kurz NKWD, um Leute zu brandmarken, die mit der Machtergreifung der Kommunisten ihren sozialen und gesellschaftlichen Status verloren hatten. Auf den über 500 Seiten ihres Buchs "Ehemalige" legen Prof. Wili Lilkow und Hristo Hristow das Ausmaß und die Formen der Repression offen, denen die begabtesten, die meist gebildeten und tugendhaftesten Bulgaren ausgesetzt waren. Obwohl sie erfolgreich von der Gesellschaft isoliert wurden, vermochte es das totalitären Regime nicht, sie zu brechen.

Hristo Hristow und Prof. Wili Lilkow"Die Repressionen gegen die s.g. Ehemaligen dauerten bis 10. November 1989 an. Sie wurden ausgesiedelt, in Lager gebracht, man ging behördlich und rechtlich gegen sie vor. Allerdings war die Rechtssprechung der Bulgarischen Kommunistischen Partei nicht objektiven, sondern politischen Charakters", erzählt Hristo Hristow. "Selbstverständlich wurden die Repressionen dann auch auf ihre Söhne und Töchter übertragen. Sie wurden unter Beobachtung gestellt - egal, ob sie einer Arbeit nachgingen oder versuchten, einen Studienplatz zu ergattern, da vielen von ihnen verboten war, ihre Ausbildung fortzusetzen. In all den Jahren des totalitären Regimes waren die unsichtbaren Repressionen der Staatssicherheit stets allgegenwärtig. Da die Partei ununterbrochen irgendwelche Feinde brauchte, macht sie die s.g. Ehemaligen, die Träger des auferstandenen Bulgariens und seines wirtschaftlichen Aufschwungs, als seinen ideologischen Hauptgegner aus."

Bulgarien ist das einzige Land Osteuropas, in dem Kader der Staatssicherheit und hochrangige Parteifunktionäre zu Hauptakteuren der Wende mutierten und Schlüsselpositionen in der Wirtschaft, im Bankensektor, im Justizsystem, in den Medien und in der Politik eroberten. Bis heute haben Stasiagenten Ministerposten inne, sitzen im Parlament, beraten den Staatspräsidenten. Da stellt sich logischerweise die Frage, ob es immer noch s.g. Ehemalige gibt, denen weiter Türen verschlossen bleiben, die, marginalisiert und gedemütigt dem neuen "System" a priori nutzlos sind?

"Leider ist es genau so", bestätigt Hristo Hrisow. "Nicht nur s.g. Ehemalige und ihre Nachkommen, sondern alle Opfer des Kommunismus wurden sehr schnell an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Wir alle tragen die Verantwortung dafür, dass wir kein Gedächtnis für die nahe totalitäre Vergangenheit haben, für diesen `organisierten Prozess des Vergessens`, wie ihn Prof. Ewelina Kelbetschewa nennt. Die Annektierung der Krim durch Russland führt uns vor Augen, wie leicht sich Fehler aus der nahen Geschichte wiederholen können", meint Hristo Hristow. "Deshalb ist es so wichtig, dass die junge Generation die Wahrheit über das totalitäre Regime erfährt, besonders dann, wenn geschickt Mythen suggeriert werden, wie schön es doch damals gewesen sei und man sich der Medien und des Internets bedient, um die Menschen einzulullen. Wenn die Jugend den Preis der Freiheit nicht kennt, kann diese Freiheit schnell verloren gehen."

Übersetzung: Christine Christov



Последвайте ни и в Google News Showcase, за да научите най-важното от деня!

mehr aus dieser Rubrik…

„Dinosaurier-Party für Kinder“ sammelt Geld für das Schildkröten-Rettungszentrum

Eine unterhaltsame Wissenschaftsshow für Kinder ist den Dinosauriern gewidmet und wird für wohltätige Zwecke veranstaltet - zur Unterstützung des Schildkröten-Rettungszentrums im Dorf Banja in der Nähe des am Schwarzen Meer gelegenen Schutzgebiets..

veröffentlicht am 20.10.24 um 09:55
Die Kirche

Bewohner des Rhodopendorfs Ptschelarowo hegen 500 Jahre alte Weißkiefer

Im Dorf Ptschelarowo, das an den Hängen der östlichen Rhodopen liegt, wuchsen der Legende nach jahrhundertealte Eichen und Walnussbäume, in deren Höhlen sich Wildbienen niederließen. Wie der Name der Siedlung schon sagt, die auf Deutsch etwa..

veröffentlicht am 20.10.24 um 08:40

Eine Legende kehrt zurück – der Kinderliedwettbewerb „Wie die Löwen“

Der Nationale Musikwettbewerb „Wie die Löwen“ wird zu neuem Leben erweckt und findet vom 18. bis 20. Oktober im Konzertsaal des BNR Warna. Der Musikwettbewerb erfreut sich großer Beliebtheit. Die Kinder und Jugendlichen, die sich beworben..

veröffentlicht am 19.10.24 um 12:40